Französische Festspiele im Bullentäle
Die Equipe Tricolore hat sich am Sonntag bei den Cross Country-Rennen im Bullentäle in eindrucksvoller Stärke präsentiert. Bei den Damen ging der Sieg an Loana Lecomte, bei den Herren triumphierte Victor Koretzky. Vor allem bei den Männern bekamen die Zuschauer vor den TV-Bildschirmen ein großes Spektakel geboten. Die besten deutschen Athleten waren Ronja Eibl und Luca Schwarzbauer auf den Plätzen 22 bzw. 19.
Damen: Lecomte in eigener Liga
Die Französin Loana Lecomte hat in beeindruckender Art und Weise den Cross Country-Weltcup in Albstadt gewonnen. Die amtierende U23-Weltmeisterin verwies ihre Landsfrau Pauline Ferrand-Prévot auf den zweiten Platz, die vor der überraschend starken Haley Batten ins Ziel einfuhr. Beste deutsche Fahrerin war die Lokalmatadorin Ronja Eibl auf Rang 22.
Die Leistungsdichte im Damenfeld wurde im Vorfeld des Rennens als besonders hoch eingestuft. Die Experten räumen zwar Loana Lecomte und Pauline Ferrand-Prévot die größten Siegchancen ein, doch zu 100 Prozent wollte sich im Vorfeld des Weltcupauftakts niemand auf eine klare Favoritin festlegen. Mit Spannung wurde also das erste Aufeinandertreffen der Top-Stars erwartet, doch im Grunde genommen war davon im Damenrennen nur wenig zu sehen – zu stark präsentierten sich die beiden Französinnen an der Spitze des Feldes.
Schon in der Startrunde löste sich die etatmäßige U23-Fahrerin vom Rest des Feldes und brachte nach 2,8 Kilometern stolze 18 Sekunden zwischen sich und ihre Verfolgerinnen. Von nun an wurde das Rennen zur One-Woman-Show der 21-Jährigen. Lecomte baute ihren Vorsprung weiter aus und zauberte dreimal in Folge die schnellste Rundenzeit ins Bullentäle. Bei der vorletzten Zieldurchfahrt betrug ihr Abstand auf Ferrand-Prévot über eine Minute, sodass die Französin im letzten Umlauf sogar etwas die Beine hochnehmen konnte.
Doch die Taktik Lecomtes sah es gar nicht vor so schnell zu enteilen: „Ich hatte keinen richtigen Rennplan, ich wollte einfach so schnell es geht Radfahren! Nach meinen Erfolgen im Vorjahr wusste ich, dass ich vorne mitfahren kann und habe im Winter im Training an einigen Stellschrauben nochmal gearbeitet. Ich bin sehr glücklich über den Sieg heute“, so die junge Französin.
Ihre Landsfrau Pauline Ferrand-Prévot landete auf Rang zwei und war mit dem Ergebnis alles andere als unzufrieden. „Auch wenn viele von mir den Sieg erwartet haben, ist es immer noch ein zweiter Platz und ich habe die Gesamtweltcupführung inne“, zeigte sich die amtierende Weltmeisterin sichtlich zufrieden mit ihrem Rennen und ergänzte: „Ich erwischte nicht den besten Start und war zu weit hinten als Loana an der Spitze davon zog. Ich war insgesamt etwas unaufmerksam zu Beginn des Rennens und es war schwierig am Anfang Plätze gutzumachen. Ich habe dann einfach versucht meinen eigenen Rhythmus zu finden und mein eigenes Rennen zu fahren. Es war super hart, weil ich mich heute einfach nicht perfekt gefühlt habe – das macht sich auf dieser schweren Strecke doppelt bemerkbar.“
Für die größte Überraschung des Tages sorgte Haley Batten. Die US-Amerikanerin fuhr ein famoses Rennen, lag nach der Startloop noch auf Platz 15, arbeitete sich aber rasch nach vorne und belohnte diesen couragierten Auftakt mit ihrem ersten Weltcuppodium. „Ich ging ohne große Erwartungen in das Rennen. Ich war bereits super happy, dass ich mich im Short Track für die zweite Startreihe qualifizieren konnte. Ich wollte einfach ein cleveres und starkes Rennen fahren, das habe ich umgesetzt und bin natürlich überglücklich wie es gelaufen ist. Ich hatte einen soliden Start und habe mich dann stetig nach vorne gearbeitet.“
Beste deutsche Fahrerin wurde am Ende Ronja Eibl auf Platz 22. Die U23-Gesamtweltcupsiegerin des Jahres 2019 erwischte einen super Start und überquerte bei der ersten Durchfahrt als Elfte das Ziel. Anschließend lief es allerdings nicht mehr rund für die Fahrerin des Alpecin-Fenix Teams. „Ich hatte einen guten Start, glaube aber nicht, dass ich zu schnell losgefahren bin. Ich hatte dann einfach Probleme mit dem Kreislauf. Mir wurde es extrem heiß und ich hatte im ganzen Körper ein komisches Kribbeln. Aber es war allgemein etwas komisch. Ich war heute Morgen extrem aufgeregt und habe mich nicht gut gefühlt. Am Start ging es dann, aber danach wurde es eben wieder schlechter. Im Rennen war es dann auch schwer vom Kopf her. Ich wurde von zig Fahrerinnen überholt und konnte mich dann zeitweise auch nicht mehr pushen“, beschreibt die junge Deutsche ihre Rennsituation. Am Ende ging es wieder etwas aufwärts für Eibl, sodass sie die Top 20 nur knapp verpasste. „Ich bin schon enttäuscht von dem Ergebnis. Ein großes Ziel war es in die Top 15 zu fahren, vielleicht sogar in die Top 10. Die Strecke liegt mir eigentlich richtig, deshalb ist das schon schade.“
Zwei Plätze hinter Eibl überquerte die deutsche Meisterin Elisabeth Brandau die Ziellinie. „Ich bin einfach tot. Das Rennen war extrem hart. Ich hatte keinen guten Start. Ich glaube, ich habe da einfach zu viel Schiss und kann die Ellenbogen nicht ausfahren. Danach ging es dann darum alles rauszuholen, was ich konnte. Das hat dann auch geklappt. Mit dem Ergebnis muss ich zufrieden sein“, so Brandau.
Ein weiteres starkes Resultat erzielte Nina Benz. Die 23-Jährige wurde in ihrem ersten Elite-Weltcup 29. und war dementsprechend überglücklich mit ihrem Rennen: „Es ist mega! Top 30 in meinem ersten Elite-Weltcup. Ich wusste nicht genau wo ich stehe und es war für mich schwer einzuschätzen, was möglich ist. Das lag einerseits an der Startposition und andererseits daran, dass es mein erster Elite-Weltcup war. Ich hatte deshalb auch etwas Respekt vor der Startphase und habe mich da aus allem rausgehalten. Ich bin dann einfach mein Tempo gefahren und es ging super nach vorne. Ich hatte allerdings etwas Probleme mit der Hitze. Die Temperaturänderungen während des Wochenendes waren extrem.“
Herren: Koretzky schlägt Schurter im Zielsprint
Im Vergleich zum Damenrennen, war das der Herren an Spannung nicht zu überbieten. Erst auf den letzten Metern setzte sich der Franzose Victor Koretzky gegen den großen Nino Schurter durch. Tom Pidcock zeigte eine eindrucksvolle Aufholjagd, die mit Platz fünf belohnt wurde, Mathieu van der Poel wurde Siebter.
Das Herrenrennen im Albstädter Bullentäle entwickelte sich zur Freude der neutralen Zuschauer zu einem regelrechten Showdown. Zu Beginn des Rennens bildete sich eine circa zehn Mann-starke Spitzengruppe, der – mit Ausnahme von Tom Pidcock – alle Favoriten angehörten. Der 21-Jährige Brite musste aufgrund von fehlenden Weltranglistenpunkten von Startplatz 76 ins Rennen gehen und sich erst einmal durchs komplette Feld pflügen. Zur Verwunderung der Journalisten vor Ort schaffte der Fahrer vom Team Ineos Grenadiers dieses Kunststück binnen 1,5 Runden und war von nun an mitten drin im Kampf um die Podiumsplätze. Auf die Rückfrage im Ziel, wie er so schnell an die Spitze vorfahren könne, stellte das Multitalent nur die rhetorische Rückfrage: „Schnell?!“ und ergänzte: „Viele Leute haben im Startgedränge zu viel Panik, man muss auf die richtige Lücke warten und diese dann nutzen. Man darf zudem nicht zu viel Energie durch das ‚Stop-and-Go‘ im Pulk verlieren. Das habe ich versucht umzusetzen und habe mich so vorarbeiten können.“
Während sich im weiteren Rennverlauf immer mehr Fahrer von der Spitze verabschieden mussten, kristallisierte sich eine Vier-Mann-Gruppe heraus, der Nino Schurter, Mathias Flückiger, Victor Koretzky und Ondrej Cink angehörten. Pidcock und der Neuseeländer Anton Cooper hinkten wenige Sekunden hinterher, waren aber immer noch in Schlagdistanz zur Spitze.
Mathieu van der Poel hatte sich zu diesem Zeitpunkt schon aus dem Podiumskampf verabschiedet – dem großgewachsenen Niederländer kommt die Albstädter Strecke nicht wirklich entgegen. Und so kam es im finalen Umlauf zum Showdown an der Spitze, der jede Menge Dramaturgie bot. Zunächst quittierte die absenkbare Sattelstütze von Mathias Flückiger den Dienst, indem sie sich nicht mehr nach oben ausfahren ließ, weshalb der Schweizer mit einem mächtigen Handicap auf die letzten Meter gehen musste. Anschließend war es Nino Schurter der im ersten langen Anstieg der Runde sein Glück versuchte und die Gruppe sprengte – nur Koretzky konnte folgen!
Eine Entscheidung zwischen dem Franzosen und dem Schweizer brachte jedoch auch der zweite Anstieg der Runde nicht und so kam es wie es kommen musste: Die Beiden bogen gemeinsam auf die Zielgerade ein. Koretzky hatte auf den letzten Metern die meisten Reserven und sicherte damit seinen ersten Weltcupsieg.
„Ich bin mega glücklich, mein erster Weltcupsieg in meiner Karriere. Zudem ein Qualifikationsrennen für das französische Olympia-Team, da sollte ich mir jetzt einen Startplatz gesichert haben“, berichtete ein äußerst gut gelaunter Victor Koretzky und ergänzte: „In der letzten Runde konnte ich den Attacken von Nino im ersten und letzten Anstieg folgen und habe dann auf der Wiese meine Chance genutzt. Ich hatte heute gefühlt die beste Form meines Lebens, ich hoffe, dass ich das über die Saison hinweg konservieren kann.“
Nino Schurter musste sich damit einmal mehr mit Platz zwei zufriedengeben. Der amtierende Europameister stand 2021 bei insgesamt vier XC-Rennen am Start und belegt vier Mal Rang zwei. Hinter Schurter sicherte sich Mathias Flückiger, trotz seines Malheurs, den dritten Rang. „Ich hatte am Anfang etwas Mühe vorne mitzuhalten. Ich hatte ein paar Probleme in meinen Rhythmus zu finden, weshalb es erst eine Weile dauerte bis ich in der Spitzengruppe angekommen bin. Ich wusste, auf dieser Strecke muss ich konstant fahren. Von da an habe ich mich immer besser gefühlt und habe einmal angegriffen und direkt gemerkt, dass ich heute der Stärkste sein würde, wenn ich wirklich alles gebe. In der letzten Runde hatte ich dann etwas Pech mit einem technischen Problem, sodass ich die Attacke von Nino im ersten Anstieg der letzten Runde nicht mehr mitgehen konnte. Dem geschuldet bin ich sehr zufrieden, dass ich vor allem nicht noch den dritten Platz verloren habe“, lässt Flückiger im Ziel sein Rennen Revue passieren.
Vierter wurde Ondrej Cink, Fünfter Tom Pidcock, der sich damit für den Short Track in Nove Mesto kommende Woche qualifiziert hat und somit beste Chancen auf einen besseren Startplatz in Tschechien besitzt. „Das Aufholen zu Beginn hat mich schon auch in die ‚rote Zone‘ gebracht und als dann Mathias in der Mitte des Rennens angriff, musste ich zudem kurzzeitig den Fuß runternehmen, was meinen Rhythmus brach. Ich hatte zudem noch einen schleichenden Plattfuß, vielleicht hätte ich ohne all das in der Spitzengruppe bleiben können. Nächste Woche, neue Strecke – das Ergebnis heute hat mir viel Selbstvertrauen für die kommenden Aufgaben gegeben“, zeigte sich der Brite angriffslustig.
Aus deutscher Sicht lief das Rennen zufriedenstellend. Luca Schwarzbauer wurde 19. und erfüllte somit Teil zwei der deutschen Olympia-Norm. Insgesamt besitzen nun sechs deutsche Fahrer die geforderte Norm, der BDR darf aber nur zwei Fahrer nach Tokio entsenden. „Mega geil! Das Ziel war Top 20, jetzt bin ich 19. – richtig geil! Ich hatte einen schlechten Start und ehrlich gesagt auch ziemlich miese Beine. Es hat sich angefühlt als sei ich nicht richtig warm. Aber es wurde dann besser. Das Gefühl der zähen Beine kenne ich ja aus dem Training, deshalb habe ich mir da erstmal keinen zu großen Kopf gemacht. Und wie gesagt, irgendwann lief es dann richtig gut! Als ich dann zum Schluss gesehen habe, dass es Richtung Platz 20 gehen könnte, bin ich komplett übers Limit gegangen. Max hat mir zusätzlich noch den Rücken freigehalten. Das war mega! Ein riesen Danke an Max“, berichtet Schwarzbauer und erklärt in Bezug auf die Olympia-Konstellation: „Jetzt haben halt mehrere Fahrer die Olympia-Norm. Mal schauen wie das dann ausgeht. Ich bin auf jeden Fall mega happy, dass das geklappt hat. Wenn ich meine Ziele erreiche und die anderen eben auch in Top-Form sind bzw. sogar besser fahren wie ich, dann haben sie es auch verdient zu Olympia zu dürfen. Da mache ich mir keinen Stress. Ich bin mega zufrieden, will nächste Woche wieder in die Top 20.“
Direkt hinter Schwarzbauer kam dessen Teamkollege Max Brandl als 20. ins Ziel, der zwar gut ins Rennen gestartet ist, in der Mitte aber etwas an Boden verlor und zum Schluss seinem Teamkollegen zur Olympia-Norm verhalf: „Ich bin eigentlich ganz gut rein gekommen ins Rennen, hatte in der Mitte aber ein kleines Loch. Ich konnte dann vor allem eingangs der Berge nicht mehr ganz mitgehen. Das lag dann sicher auch an der Hitze. Es wurde extrem warm. Wir haben uns zwar gut gekühlt, aber ganz bekommst du das nicht hin. Als dann Luca kam, dachte ich, ‚da musst du dran bleiben‘ und wir haben dann zusammen auch ein paar ganz gute Moves gemacht, obwohl wir nicht mal sonderlich konstant gefahren sind. Ich habe dann auch Luca motiviert, dass er die Top 20 knackt. In der letzten Runde waren wir in einer großen Gruppe, dann mussten wir schon schauen, dass Luca vollends die Olympia-Norm holt. Es ging dann in einen Trail. Luca war vorne, ich habe dann dahinter etwas den sterbenden Schwan gespielt, damit ein Loch aufgeht. Die Jungs hinter mir fanden das sicher etwas uncool, aber die hätten das für ihren Teamkollegen sicher genauso gemacht. Als Mani dann am letzten Berg kam und direkt vorbeiging, habe ich auch nochmal attackiert und konnte so dann auch Platz 20 absichern.“
Der von Brandl erwähnte Manuel Fumic wurde 21. und war mit dem Rennen soweit auch zufrieden. „Ich hatte ein paar Startschwierigkeiten und hatte am Anfang relativ große Probleme das hohe Tempo am Anfang mitzugehen. Ich habe dann irgendwann mein eigenes Tempo gefunden und am Schluss konnte ich Runde um Runde etwas drauflegen. Es war jetzt ein gutes deutsches Ergebnis, ich bin zufrieden so wie es insgesamt lief“, berichtete der Cannondale-Profi im Ziel.
Georg Egger wurde nach einer „kuriosen Vorbereitung“ 33. Der Lexware-Pilot hatte im Vorfeld unter anderem mit einer Erkältung zu kämpfen und war unter diesen Umständen mit seinem Ergebnis „happy“.