Bilder und Text: Museeuw Bikes
Rahmenset: Rahmen, Gabel, Steuersatz, Sattelstütze
Material: Flachs-Carbon
Flachs
Flachs ist seit Anbeginn der Pflanzenkultur ein beliebter Werkstoff. Flachsfasern werden in den unterschiedlichsten Bereichen eingesetzt, etwa zur Herstellung von Leinenstoffen, Seilen, Zigarettenpapier und sogar Banknoten. Teetücher und Rizla sind jedoch ein Klacks im Vergleich zur neuesten Inkarnation des Multitalents als Hochleistungskomponente in einer Serie von Rennrädern des einstigen Weltmeisters im Straßenrennen und eines der erfolgreichsten Klassikjägers seiner Generation, Johan Museeuw.
Der Löwe von Flandern, wie der Belgier genannt wird, weiß als dreifacher Gewinner von Paris-Roubaix und der Flandern-Rundfahrt um das Problem, Vibrationen in Schach zu halten. 2004 wurde ihm ein Rahmen aus einer Mischung aus Flachs- und Carbonfasern zum Testen angeboten. Von der Steifigkeit und dem gleichzeitig hohen Fahrkomfort des Rahmens beeindruckt, stimmte er zu, an dessen Weiterentwicklung mitzuwirken.
Sämtliche Muster stammen aus der italienischen Edelschmiede für maßgefertigte Carbonrahmen von Roberto Billato. Dessen Verbundkonstruktionen mit Carbonhülle waren bereits bei der Italien-Rundfahrt rennerprobt, wenn auch unter anderem Markennamen. In Zusammenarbeit mit IPA Composites Belgium, dem ersten Hersteller, der auf die Idee kam, Kohlefaser mit Flachs zu verbinden, baute Billato eine Reihe von Rahmen und Gabeln, die sich schnell bewährten.
Flachsfasern sind im Vergleich zu anderen Pflanzenmaterialien extrem steif und reißfest. Dass sie sich für Verbundkonstruktionen eignen, erkannte man bereits im Zweiten Weltkrieg. Hier wurde damit eine der ersten Kunstharz-Pressformen für Pilotensitze eines Spitfire-Prototyps gebaut. Was die Steifigkeit anbelangt, übertreffen Carbonfasern jedoch die Pflanzenfasern, was nicht verwunderlich ist, da Carbon die steifesten gemeinhin verfügbaren Fasern liefert. Flachs zeichnet sich heute durch seine einzigartige Fähigkeit zur Vibrationsdämpfung aus. Dies haben sich auch Hersteller von Luxus-Automarken wie BMW zunutze gemacht.
In der Automobilindustrie dienen Flachsfasern beispielsweise zur Schalldämpfung in Armaturenbrettern und Seitenverkleidungen. Bei den Rahmenmodellen von Museeuw wurden Flachsfasern mit der so genannten „Köper-Hybrid-Sandwichtechnik“ als separate Webschicht zwischen Carbonfaserschichten integriert. Die Bezeichnung „Hybrid“ bezieht sich dabei auf den Zusatz von Flachs- und Carbonfaser. Die im Flachs enthaltene Zellulose schluckt aufgrund ihrer speziellen molekularen Struktur Vibrationen und Stöße, die über die Laufräder auf den Rahmen und die Gabelbscheiden übertragen werden.
Den optimalen Flachs-Carbon-Hybridwerkstoff herzustellen, ist enorm komplex. IPA hat mehrere Jahre lang verschiedene Harze und Behandlungsmethoden getestet, um die perfekte Kombination aus Leistung, Langlebigkeit und Oberflächenbehandlung zu erzielen. Als natürliches, organisches Produkt haben Flachsfasern nicht nur unterschiedliche Dicken, sondern sind bei mangelhafter Verarbeitung auch gegenüber Feuchtigkeit empfindlich. Im vergangenen Jahr gelang es dem belgischen Konzern jedoch, den endgültigen, patentierten Prozess festzulegen, der für den Erfolg des Hybrid-Sandwich ausschlaggebend ist.
Die Fasern stammen aus ausgewählten Kulturen in Nordfrankreich. Das Klima und die dortigen Bodenbedingungen liefern die erforderlichen Pflanzen mit der optimalen Kombination aus Faserlänge, Stärke und Feinheit. Der Flachs wird in der flandernschen Leinenweberei Stanislas Cock verarbeitet, gesponnen und gewebt. IPA imprägniert den Webstoff anschließend mit Harz, schneidet ihn zu und verbaut ihn zu hochwertigen Carbon-Flachs-Hybrid-Rahmen.