Puck P. und der Rest

Oranje boven war der Leitspruch bei der U23 EM der Damen vor zwei Wochen – und das in einem fast lächerlichem Ausmaß. Alle Medaillen blieben im Gastgeberland, fünf der ersten sechs oder sieben der ersten elf jungen Damen trugen Orange.
Die Medaillengewinner, Ceylin del Carmen Alvarado, Inge van der Heijden und Fleur Nagengast, fahren bereits in belgischen Teams und haben allesamt schon Top 10 Ergebnisse in großen Wertungsrennen hinter ihrem Namen stehen. Alvarado gehört dieses Jahr gar zu den besten sieben Crosserinnen.
Interessanter, weil unbekannter als diese Damen sind aber die, die dahinter kommen.

Die meisten der letztjährigen niederländischen Topathletinnen im Damenbereich des Crosses kommen aus anderen Disziplinen. Vos, Brand und de Jong kommen von der Straße (auch wenn Vos eigentlich immer recht bidisziplinär war), Worst und Betsema kommen vom MTB, nur de Boer und Kaptheijns waren schon früh mehr oder weniger reine Crosserinnen. Wie die drei Medaillengewinnerinnen der EM waren auch sie nicht unbedingt Supertalente, auch wenn sie immer die nationale Spitze ihrer Altersklassen bildeten.

Die echte Supertalente sind in den letzten Jahren eigentlich immer irgendwo stecken geblieben. Wenn man gut zehn Jahre zurück geht, trifft man zum Beispiel auf Sabrina Stultiens, die als Europameisterin im Cross komplett auf die Straße wechselte – und dort ziemlich anonym fährt. Der tragischste Fall ist Annefleur Kalvenhaar, die ebenfalls den Sprung in die absolute Weltsitze eigentlich schon geschafft hatte, bevor sie im August 2014 bei einem MTB Weltcup tödlich verunglückte. Etwas jünger als Kalvenhaar waren Lotte Eikelenboom und Yara Kastelijn. Eikelenboom stagnierte früh in ihrer Entwicklung und beendete kurz nach dem Tod ihrer Freundin Kalvenhaar ihre Karriere. Yara Kastelijn schaffte in ganz jungen Jahren den Sprung in die erweiterte Weltspitze, stürzte und verletzte sich aber häufig und stagnierte dadurch ebenfalls. Sie entschied sich für eine Straßenkarriere und kehrt diesen Winter wieder zurück ins Feld. Dabei werden die Ergebnisse immer besser – sie erreicht jetzt als 21 Jährige in etwa wieder das Niveau, welches sie als 17 Jährige hatte.

Danach war es Manon Bakker, die als junger Teenager mit Julia Boschker die nationalen Rennen aufmischte. Vor zwei Jahren fuhr sie bereits als Juniorin im WC Damen Team des besten Teams der Welt. Sie gewann den nationalen Titel der Juniorinnen – und weil sie auch von den zeitgleich gestarteten U23 Damen die schnellste war, bekam sie den Titel gleich obendrein. Auf dem MTB war sie national fast genauso dominant. Seit letzten Jahr allerdings stockt die Entwicklung. Die 19 Jährige fährt dieses Jahr zwar für das Belgische Experza Team, aber im Vergleich zu früheren Jahren nimmt sie an deutlich weniger Rennen teil – und die Ergebnisse sind absolut nicht zu vergleichen mit dem, was sie einst zu leisten im Stande war.
In früheren Jahren war Julia Boschker sogar noch besser als Manon Bakker. Bei Boschker allerdings stimmte die Motivation schon früh nicht mehr, sie konnte die Ergebnisse ihrer Jahrgangsgenossin schnell nicht mehr erreichen. Bei ihrem Heimrennen in Woerden beendete sie im Oktober ihre Karriere.

Nach Bakker und Boschker mussten die Niederländer drei Jahre warten, bis 15 Jährige Mädchen wieder nationale Frauenrennen gewinnen konnte. Dafür waren es dann gleich zwei. Shirin van Anrooij, Schwester von Lindy, gewann dabei in den letzten beiden Jahren den nationalen Titel der Juniorinnen. Außerdem ist sie auch außerhalb der Crossszene Weltklasse. Wie ihre Schwester ist sie Weltklasse in der Randsportart Crossduathlon. Aber auch im „normalen“ und im Triathlon gehört sie in ihrer Altersklasse zu den Besten. Diese Vielseitigkeit half ihr auch beim Crosstitel letztes Jahr, denn auf dem tiefen Geläuf von Surhuisterveen konnte die damals noch kleine Pieterse nicht mit der langen und ranken van Anrooij mitlaufen. Dieses Jahr konzentriert sich die 16 Jährige erstmals voll aufs Cross. Sie wechselte zum Creafin Team in Belgien und fährt den ganzen Winter sehr gute Ergebnisse zusammen. In kleinen Rennen wie in Contern reicht es dann zum Podium, die großen Rennen beendet sie meisten zwischen Platz 11 und 20.

Und obwohl van Anrooij in Belgien viel bekannter ist als Puck Pieterse, hält der Autor dieses Artikels die ebenfalls 16 Jährige Pieterse für vielversprechender. Schon in den letzten Jahren war die van Anrooij eigentlich immer überlegen, wenn oft auch nur knapp – und machmal eben gar nicht. Das beeindruckenste Rennen lieferte des letzten Winters lieferte die damals 15 Jährige wohl beim nationalen Cross in Huijbergen, das jährlich außergewöhnlichgut besetzt ist, ab. Sie startete als Nieuweling zwei Minuten hinter den Elitedamen. Auf dem schweren Kurs der Europameisterschaften von 2015 beendete sie das Rennen auf Rang drei, unbereinigt. Wenn überhaupt war höchstens die Siegerin Inge van der Heijden schneller als Pieterse, die sich aber durch das Juniorinnen- und Frauenfeld kämpfen musste.

Letztes Jahr war sie noch ziemlich kurz gebaut, im Sommer machte die Niederländerin allerdings einen ordentlichen Schuss. Außerdem machte sie einen Transfer zum größten nationalen Crossteam, den Orangebabies. Nach einer langen Sommersaison auf dem MTB verlief der Winterstart sehr holprig. Fast musste man sich Sorgen machen, dass auch sie sich vom Toptalent zum Talentflop entwickeln würde, doch ab Mitte Oktober geht es merklich bergauf. Inzwischen hat sie zwei nationale Rennen gewonnen – konkurrenzlos. Sie wurde als erstjährige Juniorin – im Kampf gegen maximal 22 Jährige Frauen – Fünfte. Wo sie in Boom als Elfte ihr erstes Top 10 Ergebnis bei einem Wertungsrennen knapp verpasste, schaffte sie es heute als Zehnte dann doch. Im Sprint wenige Zentimeter vor Shirin van Anrooij.
So hat es den Anschein, dass diese zwei Toptalente den Anschluss an die Weltelite schaffen werden. Im Gegensatz zu so vielen Cross-Toptalenten vor ihnen.

Und um den Kreis rund zu machen – und der internationalen Konkurrenz noch mehr Angst zu machen. Thalita de Jong und Lucinda Brand haben den Sprung von Weltklasse Straßen- zu Weltklasse Crossfahrerinnen innerhalb von zwei Jahren geschafft. Dieses Jahr startete Lorena Wiebes bei einigen Crossrennen. Mit guten Ergebnissen. Anna van der Breggen fuhr in den letzten Jahren regelmäßig ein paar nationale Crossrennen zur Weihnachtszeit – und gewann sie alle. Und bei den Nieuwelingen wildern zwei der vier Töchter von Servais Knaven, Senne und Mirre, in der Szene die Rennen ab.
Aus dem außerorangen Ausland hingegen stößt ziemlich wenig Masse und Klasse nach vorn…

 

 

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