Test: SHIMANO BR-CX75 und SM-RT81

Mit der BR-CX75 präsentiert SHIMANO endlich eine zeitgemäße mechanische Scheibenbremse für den boomenden Disccrosser Markt. Unser Test soll zeigen ob es den Japanern gelungen ist eine Bresche in die Dominanz der AVID Ball Bearing Bremsen zu schlagen.
Es soll kein Duell werden, aber einen Vergleich mit AVIDs BB7 Road SL, die ebenfalls im Herbst 2012 auf den Markt kam und die fast gleichzeitig im cx-sport.de-Test war, muss sich SHIMANOs Cyclocross-Scheibenbremse CX75 schon gefallen lassen.

Zum Testen haben wir zwei Bremssättel BR-CX75 und zwei 160 mm-XT-Center Lock-Bremsscheiben SM-RT81 bekommen.


Unter der Bezeichnung SM-RT86 sind die Bremsscheiben auch für 6-Loch-Naben verfügbar. Beide Scheibenvarianten werden von SHIMANO für die Bremse empfohlen.
Den Bremsen lagen nur noch zwei Befestigungsschrauben und ein Schraubensicherungsclip bei.


Die Center Lock Rotoren bestehen aus einer 3-lagigen Sandwichstruktur aus äußeren Edelstahlschichten mit innerem Aluminiumkern. Diese Bauweise, bei SHIMANO Ice-Tech genannt, soll die Wärmeableitung verbessern und damit die Betriebstemperaturen der Bremsen deutlich reduzieren um Fading zu vermeiden.

Der silbergrau [glossy grey] beschichtete Bremssattel aus Aluminium wird mit organischen G01A Belägen ausgeliefert. Wie beim Marktführer sind auch bei der CX75 beide Beläge einstellbar, was eine zusätzliche Inline-Zugverstellung nicht nötig macht.

SHIMANO gibt keine Preisempfehlungen aus. Zur Zeit (Juli 2013) liegen die Preise bei den einschlägigen Internetversendern bei 52-70 € für den Bremssattel und bei 27-34 € für die Scheibe. Damit liegen die Preise für eine komplette Einheit grob zwischen 80 und 100 €. Für eine BB7 Road SL mit Scheibe werden aktuell 100-130 € verlangt. Preisvorteil für SHIMANO.

    

Ein Bremssattel wiegt 153 g und ist damit um 6 g leichter als die BB7 RSL. Weitere 2g spart die SHIMANO-Bremse bei den Befestigungsschrauben, die zwar nicht aus Titan sind, aber ohne die Tri-Align-CPS-Scheiben der BB7 auskommen muss.
Die 160 mm SM-RT81 Scheibe wiegt mit Center Lock Ring 130 g, 25 g schwerer als die HS1 der BB7 RSL mit ihren Titanschrauben. Kleiner Gewichtsvorteil von 17 g für AVID.

Für den praktischen Test wurden die Bremsen an ein APACE T1ST mit Aluminium-Gabel montiert. Rahmen und Gabel sind für 160 mm Scheiben und Post Mount Bremsen vorgesehen. Passend zu den Center Lock Scheiben wurde ein entsprechender Laufradsatz mit DT Swiss 190 Naben eingesetzt.


Sowohl die Montage der Scheiben, wie auch der Bremsen war sehr einfach. Die Ausrichtung und Justierung der Bremssättel stellte ebenfalls kein Problem dar. Ärgerlich ist allerdings, dass für die Verstellung des äußeren Belags ein 2,5 mm INBUS-Schlüssel benötigt wird und für den inneren ein 3 mm INBUS nötig ist. Überhaupt scheinen sich die Konstrukteure keine großen Gedanken bei der Wahl der verwendeten Schrauben gemacht zu haben. Für den Austausch der Beläge wird zusätzlich noch ein Schlitzschraubendreher benötigt. Das hätte man geschickter lösen können!

Wo wir schon bei der Kritik sind: Eigentlich macht die CX75 den Eindruck, sie wär aus "dem Vollen geschnitzt" und entsprechend robust. Zu diesem Eindruck passt aber der ungespannt sehr wacklige Bremsarm und die sehr leichtgängig zu verdrehenden Einstellschrauben für die Beläge nicht. Es ist allerdings tatsächlich nur der erste Eindruck. Während des Testbetriebs gab es keinerlei Probleme mit sich verstellenden Belägen oder einer unpreziesen Armansteuerung.


SHIMANO empfiehlt für die CX75 ST-6700 Hebel. Ich habe die Bremsen am APACE mit älteren Ultegra SL STIs, ST-6600G getestet. Züge und Hüllen sind kompressionsarme Racer von JAGWIRE.
Bei der Montage hab ich den Hebelarm der Bremse leicht vorgespannt um systembedingte Leerwege im Zugweg aufzunehmen.

Die Bremsen und Scheiben passen sehr gut zusammen. Auf den ersten Ausfahrten zeigen sie schon gute Bremsleistungen ohne zu Quietschen oder zu Ruckeln und lassen sich sehr gut dosieren. Eine lange Einbremszeit war nicht nötig.

Bremstest:
Alle Bremstests wurden auf einer wenig befahrenen, abschüssigen, asphaltierten Teststrecke durchgeführt.
Als Auslösepunkt des Bremsvorgangs dient eine kleine Bodenwelle, ab der der Anhalteweg bestimmt wird.
Vom Startpunkt oberhalb der Bodenwelle wird möglichst exakt auf 50 km/h beschleunigt.
Ab Bodenwelle wird ausschließlich mit der Frontbremse bis zum Stillstand abgebremst und dann der Anhalteweg bis zum Aufstandspunkt des Vorderrads ermittelt.
Dieser Test wird mehrfach wiederholt um Geschwindigkeitsunterschiede auszugleichen und möglichst weit an die optimale Verzögerung heranzubremsen.

Nach dem Einbremsen erziele ich auf den Bremsgriffen ca. 25 m und am Unterlenker ca. 23 m Anhaltewege.

Bei einer Durchsicht des Systems ist mir aufgefallen, dass der Sattel nicht optimal auf der Scheibe sitzt und dadurch ein kleiner Teil der Beläge oberhalb der Scheibe sitzt und nicht an der Verzögerung teilnimmt. Warum das so ist konnte ich nicht aufklären, gehe aber davon aus, dass die Masstoleranzen der Gabel und der Bremssättel sich gegenseitig unglücklich verstärkt haben. Mit anderen Bremsen, bzw. mit der CX75 an anderen Gabeln ist mir das nicht aufgefallen.

Der zweite Teil des insgesamt knapp 550 km langen Testfahrten wurden mit einem FUJI Cross Pro durchgeführt, das mit einer GUNSHA WCC Vollcarbongabel ausgestattet war.

Beide Bremsaufnahmen sind IS2000, so dass entsprechende Adapter montiert werden mussten. Hier kamen Dura Ace ST-7900 Hebel zum Einsatz, die vom Zugeinholweg den empfohlenen ST-6700 entsprechen sollten. Züge und Hüllen waren SRAM SlickWire, die meiner Meinung nach den JAGWIRE Racer entsprechen. Die Laufräder mit den RT81 Scheiben hab ich vom APACE übernommen.


An der GUNSHA Gabel waren die Bremsen optimal über den Scheiben positioniert. Eine Abweichung der Montageposition wurde nicht festgestellt.

Mit diesem Set-up liegen die ermittelten Anhaltewege beim Bremstest bei sehr guten 22 Metern und das sowohl am Unterlenker, wie auch von oben auf den Bremsgriffen.
Bei allen anderen Hebel-Bremsen-Kombinationen, die ich bisher durchgeführt habe, konnte ich noch nie die gleich kurzen Anhaltewege von oben erreichen. Hier scheint die Abstimmung der ST-7900 Hebel optimal zur CX75 zu passen.

In dieser Kombination gehört sie aktuell zu den leistungsfähigsten mechanischen Scheibenbremsen. Der Druckpunkt ist deutlich definiert und die Bremskraft unter allen Bedingungen feinfühlig zu dosieren. Aber auch mit den "alten" Hebeln funktioniert sie gut, wenn man die etwas längeren Anhaltewege in Kauf nimmt.
Mit den SM-RT81 Scheiben ist Quietschen, auch bei Schnee und Regen, kein Thema. Das Kühlkonzept der Ice Tech-Technologie scheint aufzugehen. Fadingprobleme traten auch bei höherer Ausgangsgeschwindigkeiten nicht auf.

Um nochmal kurz auf die Konkurrenz von AVID zurückzukommen.
Mit den gleichen Rädern getestet, erreicht die BB7 RSL mit den alten Hebeln am APACE die besseren Bremsergebnisse.
Bei den neueren Hebeln am FUJI führt dagegen die SHIMANO Bremse.
Grundsätzlich tun sich beide Bremsen nicht viel und sind ebenbürtig. Da die CX75 etwas günstiger als das Topmodell der BB7-Reihe ist und leichte Vorteile mit den aktuellen SHIMANO-Hebeln hat, wird sie sich sicher ein deutliches Stück vom Scheibenbremsenmarkt abschneiden.


Mein Fazit:
SHIMANO hat es mit der CX75 geschaft, eine sehr leichte und höchst effiziente Scheibenbremse zu entwickeln. Mit den RT81 Scheiben gehört sie aktuell zu den Besten mechanischen Scheibenbremsen für SHIMANOs STIs  der Serien Dura Ace 7900, Ultegra 6700 und 105 5700.

PLUS:
+ sehr leicht
+ einfache Montage und Ausrichtung
+ hervorragende Bremswirkung

0 angemessener Preis

MINUS:
- zu viele verschiedene Werkzeuge für Montage und Wartung nötig

  



Weiter Einzelheiten finden sich auch in meinem Testtagebuch, das während des Tests bei uns im Forum geführt und von vielen Lesern kommentiert wurde.
Hier meine Tagebucheinträge:

04.12.2012
SHIMANOs lange erwartete CX75 und XT IceTech-Rotoren ab heute bei uns im Test. [Fotos im Forum]

05.12.2012
Ich hab gestern auch noch direkt die Scheiben und Bremsen an das APACE T1ST montiert. Montage problemlos. Durch die eloxierte Oberfläche läßt sich die CX75 besser auf den Post Mount Sockeln positionieren, als die BENGAL MB700T, die ja lackiert/pulverbeschichtet ist und sich die Sockel dadurch in den Lack drücken und die Feinverstellung schwieriger machen.
Auch hier empfielt es sich, den Hebelarm ein klein wenig vorzuspannen um das Spiel des Bremshebels am Lenker und des Bremsarms am Sattel aufzunehmen. Die Einstellung ist ähnlich wie bei der AVID BB7 dank der Belagverstellung für beide Beläge sehr einfach. Allerdings brauch man dazu zwei verschiedene INBUS Schlüsselweiten. Das hätte nicht sein müssen.

Bilder folgen.
[Fotos im Forum]

12.12.2012
Heute die erste Testfahrt. So richtig einbremsen konnte ich die Bremse und Scheiben aber nicht, da hier Schnee und Eis vorherrschen und ich mit Spikes unterwegs war. Aber zumindest verzögern sie schon mal von Anfang an ganz gut. Kein Ruckeln oder Quietschen.

15.12.2012
Ohne Schnee, aber bei reichlich Feuchtigkeit auf Wegen und Straßen, hab ich versucht die Bremsen so halbwegs ordentlich einzubremsen.
Ist bei so rutschigem Untergrund gar nicht so einfach. Blödes Gefühl, wenn das Vorderrad immer wieder kurz blockiert.
Bin dann auch noch ein paarmal die Bremsteststrecke runter.
Dafür, dass ich wegen des feuchten Asphalts, mich nicht getraut habe voll durchzuziehen, hab ich ordentlich kurze Anhaltewege realisieren können.
Bei optimalen Bedingungen erreiche ich mit der BB7 Road (alt) und mit der MB700T auf meiner Teststrecke Anhaltewege von 23-25m.
Heute, mit der CX75 waren 29m drin. Da geht noch was!

21.12.2012
Heute, leider bei Dauerregen, zum Nightride verabredet und wieder mal festgestellt, dass die Bremsen/Scheiben auch bei Nässe nur sehr selten Quietschen. Mit den JAGWIRE Zügen und Hüllen sind die Bremsen sehr gut zu dosieren. Ich hab allerdings das Gefühl, das die Frontbremse nicht ganz so knackig ist, wie die hintere. Muss ich mir nochmal ansehen.

13.01.2013
Heute bei -3° C die ersten richtigen Bremstests mit den SHIMANO-Bremsen und Scheiben. Anhalteweg auf trockener Teststrecke vergleichbar mit BB7 Road / BENGAL MB700T, tendenziell ein wenig besser.
Aber ich hab das Gefühl, dass da noch mehr geht.

05.03.2013
Heute das schöne Wetter genutzt und die CX75 mal ausgiebig auf der Bremsteststrecke getestet.
Sehr gut zu dosieren. Richtig gute Anhaltewege mit ca. 25m. Tendenziell etwas kürzer als mit der BB7 RSL, die auf ca. 26-27m kommt.

Die Kombination aus SHIMANO ST-6600G, JAGWIRE Road Zug und Hülle, 160er SM-RT81 Scheibe und BR-CX75 funktioniert hervorragend.

Demnächst werden die Bremsen getauscht und dann mal sehen, wie sich die CX75 am FUJI mit ST-7900-Hebeln schlägt, bzw. die BB7 RSL mit den "alten" Hebeln am APACE.

23.04.2013
Heute hatte ich mal wieder Gelegenheit die Bremse und die Scheiben zu testen. Wieder sehr kurze Anhaltewege auf der Teststrecke.
Wieder in der Werkstatt hab ich die Bremse etwas nachgestellt. Dabei ist mir aufgefallen, dass der Frontsattel nicht optimal auf der Scheibe sitzt. Er hat etwas zuviel Abstand und dadurch wird gut 3-4mm des Scheibendurchmessers nicht genutzt und auf den oben überstehenden Belägen bleibt ein Grad stehen.
Liegt an der Postmount Aufnahme der Gabel. Entweder ist die nicht maßhaltig oder der Bremssattel. Ich tippe ja auf die Gabel. Das ist mir bei anderen Bremsen/Scheiben/Gabeln/Rahmen aber auch schon mal aufgefallen, allerdings nicht 3-4mm.
Hier besteht also anscheinend noch Optimierungspotiental seitens der Hersteller von Gabeln/Rahmen um evtl. Ungenauigkeiten ausgleichen zu können und eine Feinjustierung des Sattels zur Scheibe zu erzielen. Evtl. die Postmount Aufnahmen etwas kürzer und dafür Ausgleichscheiben beilegen, o. Ä.
Da ich demnächst die SHIMANO Bremsen und Scheiben ans FUJI und die AVID BB7 RSL und die HS1 ans APACE wechseln werde, bin ich mal gespannt, ob sich die Abweichung auch dann zeigt.
Wenn die CX-75 besser auf der Scheibe sitzen würde, wäre die Bremsleistung vermutlich sogar noch besser als bisher schon.

20.05.2013
Für den ersten Tag von RuhrQUER hatte ich die CX75-Bremsen und den Laufradsatz mit den RT81-Scheiben ans FUJI montiert, wo sie von SHIMANO Dura Ace ST-7900 angesteuert werden.
Ich hatte keine Gelegenheit die neuen Kombinationen einzubremsen und fein abzustimmen. Musste also mit einem suboptimalem System die RuhrQUER Runde absolvieren. War aber erwartungsgemäß kein Problem. Kurze Nachjustierung nach der Anfahrt zum Startpunkt und danach war alles gut.
Tatsächlich nutzt die CX75 mit IS-Adapter an der GUNSHA-Gabel die Bremsfläche der Scheibe deutlich besser aus als an der APACE-Gabel, wo die Bremse direkt auf den Postmount-Stutzen sitzt.
Nach der etwas größeren Einfahrrunde am Samstag werden die Bremsen jetzt nochmal feinjustiert und dann folgt noch ein abschließender Bremstest auf der Teststrecke.

28.05.2013
Bei strahlendem Sonnenschein konnte ich heute die CX75 mit den ST-7900 am FUJI auf der Bremsteststrecke testen.
Aus 50 km/h hab ich auf der abschüssigen Asphaltstrecke Anhaltewege von gut 22 Metern erreicht. Sowohl am Unterlenker, als auch aus Bremsgriffhaltung. Das hatte ich vorher noch nie. Normalerweise sind die Anhaltewege aus Bremsgriffhaltung immer 2-3 Meter länger.
Die ermittelten 22 Meter sind ein ganz hervorragender Wert. Damit ist die CX75 mit der RT81-Scheibe in der Kombination mit ST-7900 Hebeln sicher eine der besten mechanischen Scheibenbremsen, die aktuell zu kaufen sind.
Mit der früheren Kombination mit den alten Ultegra-Griffen ST-6600G ließen sich nur etwas längere Anhaltewege realisieren.




Bedanken möchte ich mich bei Michael Wild von PAUL LANGE & CO., der uns die Scheiben und Bremsen für diesen Test zur Verfügung gestellt hat.

Kritik und Kommentare bitte an st.john(at)cx-sport.de oder hier im Forum.

Text und Bilder: St.John

 

 

 

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