Interview mit Simon Zahner

CX-Sport hat den WM-Dritten (U23) von 2005 und Schweizer Meister im Quer von 2003 einige Fragen stellen dürfen.

Simon Zahner

Foto: Bürgis Cycling Team

Steckbrief:

Name Simon Zahner
Wohnort 8608 Bubikon - Schweiz
Alter 26
Gewicht 72,5kg
Größe 1,81m
Beruf Radrennfahrer
Team Bürgis Cycling Team
Gewicht des Rennrades im Renntrimm Crossrad mit Lightweight in der vergangenen Saison: 7,1kg
  Rennrad mit SRM 6,8-7kg - je nach Laufrädern

CX-Sport: Seit wann fährst Du Cross und wie kamst Du dazu?
Simon: Die ersten Rennen bin ich im Herbst 1998 gefahren. Ich fuhr zuvor nur MTB und brach immer 10 Minuten vor Schluss ein, weil sich mein Trainingsaufwand auf Rumhüpfen auf dem Schulhof beschränkt hat. Der Präsident meines Radclubs meinte dann, ich solle es mal mit Cross versuchen, da die Rennen dort schon fertig seien, wenn üblicherweise mein Einbruch kommt. Hat dann wirklich hingehauen und so kam auch die Motivation fürs Training, und das hat sich dann irgendwie bis heute gesteigert.

CX-Sport: Welches waren Deine bisher größten Erfolge?
Simon: Im Cross die WM-Medaille in St.Wendel (U23), der 4. Rang beim Weltcup in Treviso 2006 und der 8. Rang an der letzten Weltmeisterschaft in Hoogerheide. Von der Stimmung her war es das Brutalste, was ich je erlebt habe. Ich habe es aber trotzdem hinbekommen, nicht viel unnötige Arbeit zu verrichten, weil es ja auch nicht an mir lag, das Rennen zu machen, sondern habe alles auf eine gute letzte Runde gesetzt, was ja gut aufgegangen ist. Der Sturz in der Mitte des Rennens war doof, aber wenigstens habe ich mich so auf die vielen Großleinwände gehievt, mit Zeitlupe und allem.

CX-Sport: Hast Du ein Blog oder eine Homepage? Und einen Link für uns?
Simon: Ich habe weder Blog noch Homepage, sondern beschränke mich auf dumme Bemerkungen auf Facebook. Homepage ist immer mal wieder ein Thema, aber ich bin zu wenig computerbegeistert, deshalb setze ich mich wohl nicht konsequent dahinter...

CX-Sport: Warst Du zufrieden mit Deiner letzten Saison?
Simon: Ich wäre gerne regelmäßig in die ersten Zehn am Weltcup gefahren, aber die Konkurrenz hat eben auch nicht geschlafen. Einige Rennen habe ich souverän gewonnen; WM-Ziel auch erreicht; einzig der Schweizermeistertitel fehlt weiterhin!

CX-Sport: Was hast Du Dir für die nächste Saison vorgenommen?
Simon: In den ersten Zehn etablieren, mehr Rennen in Belgien und Holland fahren und mir dort durch gute Leistungen einen Namen machen und das Schweizer Meistertrikot holen. 

CX-Sport: Wie trainierst Du im Sommer bzw. Winter?
Simon: Im Sommer 20-25h pro Woche; im Winter 15-20, jedoch noch intensiver.

CX-Sport: Wie viele Rennen fährst Du im Jahr?
Simon: Crossrennen waren's jetzt immer 25-30, nächsten Winter wird's wohl gegen 40 gehen.

CX-Sport: Wie viele davon auf der Straße?
Simon: Werden wohl am Ende um die 30 Eintagesrennen (Straße und Kriterium) sein - und vier Rundfahrten von drei bis fünf Tagen.

CX-Sport: Fährst Du etwa auch MTB? Du Verräter!
Simon: Ja, ich fahr' auch MTB, aber ohne Startnummer am Lenker und bevorzugt bergab fahrend oder springend.

CX-Sport: Wie viele Kilometer absolvierst Du insgesamt auf der Straße?
Simon: Keine Ahnung, SRM zeigt mir das nicht an. Wird wohl so zwischen 20.000 und 25.000 sein.

CX-Sport: Wie strukturierst Du Dein Training?
Simon: Grundsätzlich Qualität vor Quantität - und dann schauen mein Trainer und ich halt, dass wir die Schwächen abarbeiten ohne die Stärken außer Acht zu lassen.

CX-Sport: Machst Du Technik- und auch Rumpftraining?
Simon: Hab mir zu diesem Zweck ein Trailbike angeschafft. Den Schmerzen im ganzen Körper nach zu urteilen kommt da jeder Bereich zum Zug und für die Koordination ist's auch noch hilfreich.

CX-Sport: Trainierst Du auch bei schlechtem Wetter?
Simon: Ja. Je mieser das Wetter, desto mehr Rennfahrer bleiben zu Hause. Ich werde besser, die anderen rosten ein! Das bringt selbstverständlich nur was, wenn man davon nicht krank wird.

CX-Sport: Hast Du Zeit für Hobbies? Wenn ja, trainierst Du etwa nicht genug?
Simon: Intelligenterweise habe ich Hobbys, die ich auch als Training verbuchen kann (Freeride, Trial) und Hobbys, die zum Training gehören (an sämtlichen Rädern rumschrauben, die so im Keller stehen).

CX-Sport: Trainierst Du mit Herzfrequenz- oder Leistungsmesser?
Simon: Polar-Uhr bei den Crossrennen, SRM bei sämtlichen Trainings und Rennen auf der Strasse, zum Teil auch am Crossrad.

CX-Sport: Machst Du eine Pause nach der Saison? Wann? Wie? Was bist Du für ein Schwächling?
Simon: Nach der Crosssaison zehn Tage und irgendwann im Sommer zehn Tage. In der Zeit versuche ich mich meiner Frau und meinen zwei Kindern zu widmen, weil die sonst eher zu kurz kommen...

CX-Sport: Hast Du einen besonderen Tipp bezüglich Material, Training, etc. für unsere Leser?
Simon: Techniktraining auf dem Crossrad bei voller Intensität machen. Fahrtechnik kann man nicht genug haben. Wenn im Rennen nicht mehr genug Sauerstoff durch die Birne geht, kann man plötzlich Sachen nicht mehr, die man im Schlaf zu beherrschen glaubte.

CX-Sport: Wie fährst Du Dich vor Rennen warm? Wie lange?
Simon: 50 Minuten vor dem Start für 25-30 Minuten auf die Rolle, dann noch ein wenig auf der Start-Ziel-Geraden herumgondeln, um zu schauen, wo die tollsten Mädels sind. 

CX-Sport: Kannst Du von Deinem Sport leben?
Simon: Ich arbeite nebenher beim Schwiegervater und schraube ein bisschen bei meinem Rennmechaniker in seinem Radladen. Verhungert sind wir noch nicht, also scheint's zu reichen.

CX-Sport: Du bist ja auch Tuningfreak. Wie ist dein ultimativer Tipp dazu? Was gilt es zu beachten?
Simon: Ich beschränke mich auf Titan- und Aluschrauben sowie Extralite Ahead-Expander und -Deckel. Ansonsten ist alles Grosserienmaterial. Löcher Bohren bringt im Cross nicht viel, bleibt nur Dreck drin hängen. Mit leichten Teilen wie Eggbeater-Pedalen und Zipp-Felgen habe ich ausschliesslich schlechte Erfahrungen gemacht, vor allem wenn man es selber finanzieren muss. Mein Tipp für den Renneinsatz ist daher uneingeschränkt Haltbarkeit und Zuverlässigkeit höher zu bewerten als das Gewicht.

CX-Sport: Ein guter Tag bedeutet für Dich?
Simon: Die Reihenfolge ist nicht so wichtig, aber folgendes muss enthalten sein: mindestens eine Mahlzeit mit der ganzen Familie, ein richtiges Training, mit den Kindern spielen (demnächst: like a bike-Training mit meinem Sohn Levin), an meinem Fuhrpark rumschrauben.

CX-Sport: Disziplin heißt für Dich?
Simon: Nutze den Tag, sei mit jeder Zelle in jeder Minute darauf bedacht, dich und deine Leistung zu optimieren (per Definition fliessender Übergang zu Verbissenheit).

CX-Sport: Lieblingsstellung?
Simon: Unterlenker, Kinn auf dem Vorbau, Kette rechts 

CX-Sport: Deine größte Stärke?
Simon: Disziplin

CX-Sport: Deine größte Schwäche?
Simon: Verbissenheit

CX-Sport: Was muss passieren, damit der Radquerfeldeinsport in deutschsprachigen Bereich noch weiter nach vorne kommt?
Simon: Ein Privatsender merkt, was in Belgien abgeht und macht mit den Cross-Sport das gleiche wie RTL vor ein paar Jahren mit Skispringen. Der Sport ist attraktiv, es müssen „nur“ noch wesentlich mehr Leute merken, dass dem so ist.

CX-Sport: Wer kommt in der Schweiz nach Christian Heule und Dir? Ist die Basis für den Nachwuchs da?
Simon: Dann kommen mal eine Reihe Mountainbiker, die gemäss eigenen Aussagen Cross als Hobby betreiben. Die Basis für den Nachwuchs ist nicht gelegt, weil sich der Radsportverband einen Dreck ums Cross kümmert. Ist mir aber mittlerweile völlig egal. Wenn mein Sohn Cross fahren will, schaue ich, dass er von den richtigen Leuten unterstützt wird; wenn nicht, kann's mir auch egal sein.

CX-Sport: Bist Du auch durch den Radsport zwischenzeitlich impotent geworden, oder kommt noch mehr Nachwuchs?
Simon: Vom Geburtstermin meiner Tochter ausgehend muss ich im Frühling 2008 noch zeugungsfähig gewesen sein. Alles andere wird sich dann in naher oder ferner Zukunft zeigen.

CX-Sport: Fühlst Du Dich durch dopende Sportler verarscht?
Simon: Gewisserweise schon, aber das Problem liegt tiefer: Verbände, die positive Tests nicht an die Öffentlichkeit lassen; Sportärzte, die in der Grauzone und darüber hinaus arbeiten, ohne mit der Wimper zu zucken; Medien, die Sportler zuerst in den Himmel heben und dann deren Verbrennung auf dem Scheiterhaufen fordern. Da ich aber grundsätzlich nach wie vor des Radfahrens wegen Radfahrer bin und nicht wegen irgendwelchen vergänglichen Erfolgen und jederzeit in den Spiegel schauen kann, ohne mich vor mir selber zu ekeln, kann ich das Ganze aus einer gesunden Distanz betrachten und mich über jeden freuen, der seine gerechte Strafe bekommt.

CX-Sport: Hast Du ein Lieblingsrennen ?
Simon: Treviso, Hoogerheide, St. Wendel

CX-Sport: Wann warst du zuletzt angetrunken?
Simon: Ist noch nicht vorgekommen...

CX-Sport: Du veranstaltest ein eigenes Rennen. Wie hoch ist der Aufwand? Was war die Motivation dahinter? Gibt’s eine Neuauflage? 
Simon: Ich bin beim Radquer Meilen im Organisationskommite, mache bei der Sponsorensuche mit und suche Streckenposten, Billetverkäufer usw. sofern ich welche finde, teile ich die so ein, dass sich niemand auf den Füßen rumsteht.

Da ich mittlerweile der einzige lizenzierte Eliterennfahrer in diesem Club bin und die das Rennen unter anderem für mich organisieren, ist es Ehrensache, meinen Beitrag zu leisten. Das Datum der Neuauflage ist noch nicht ganz klar, wird aber rechtzeitig auf www.vcmeilen.ch veröffentlicht.

CX-Sport: Sind im Joghurt Knochen?
Simon: Weiss nicht, ich mag kein Joghurt, weil das aus Milch ist, und die Milch kommt aus Kuhpimmeln.

CX-Sport: Falls du noch Mono fährst: Reicht das Geld nicht für zwei Kettenblätter?
Simon: Als ich noch regelmässig Mono gefahren bin, hat der Power nicht für ein 46er Kettenblatt gereicht. Dies gehört glücklicherweise allmählich der Vergangenheit an. Finanziell kommts mit „superfancy carbon spooky chainguards“ eh aufs Gleiche raus.

CX-Sport: Schimpft Deine Frau, weil Du immer dreckig nach Hause kommst?
Simon: Nein, weil ich mich nach Möglichkeit selber um das Zeug kümmere, das ich dreckig gemacht habe.

Möglicherweise ändert sich das in naher Zukunft, wenn sich die Kinder allzu oft ein Beispiel am Vater nehmen und im Garten rumsudeln, was das Zeug hält (Stichwort Vorbildfunktion)...

CX-Sport: Das leidige Thema Bremsen: Schon mal Mini-V oder Scheiben am Crosser getestet? Meinung dazu?
Simon: Nö. Für das, was ich mit dem Crosser mache, reicht es meist aus, vor Kurven mit dem Treten aufzuhören. Unsere schmalen Reifen mit derart wenig Luftdruck würden die Bremskraft einer Scheibenbremse eh nie auf dem Boden bringen. Das Gewicht wäre ein weiterer Grund dagegen und das Gefusel beim Radwechseln der nächste. Habe ich das höhere Gewicht schon erwähnt?

Gegen Mini-V spricht für mich der geringe Abstand zwischen Belag und Felge sowie die Tatsache, dass ich an Spooky-/Froglegs-/Mafac-/Wieauchimmerbremsen nie etwas vermisst habe.

CX-Sport: Christian Heule: Ihr seid Ja  befreundet, trainiert ihr zusammen? Tauscht ihr Euch über Training, Reifenwahl, Luftdruck etc, aus? Wie ist Euer Verhältnis im Allgemeinen?
Simon: Wir trainieren oft zusammen und beraten uns bei so ziemlich jedem Rennen, was die beste Lösung in Sachen Räder, Reifen, Übersetzung, Luftdruck sein könnte. Da ich vor ein paar Jahren gewissermassen sein Zauberlehrling sein konnte, habe ich ihm unheimlich viel zu verdanken und kann sagen, dass er für mich trotz der Konkurrenzsituation ein sehr guter Freund ist.

CX-Sport: Was zeichnet Dich aus? Bist Du guter Techniker, Dampfmaschine oder beides, komplett?
Simon: Dampfmaschine, die sich auf trockenen oder gefrorenen Kursen mit nicht zu langen Anstiegen am ehesten zu Hause fühlt.

CX-Sport: Wie vereinbarst du Beruf und Familie?
Simon: Mit der Hilfe meiner wunderbaren Frau, die es hoffentlich noch lange mit mir aushalten wird und etwas Organisationstalent. Ein grosses Auto kann dabei auch nicht schaden.

CX-Sport: Wie lange möchtest Du noch aktiv fahren?
Simon: Bis zu dem Tag, an dem ich merke, dass mir das Radfahren keinen Spass mehr macht, weil ich nicht mehr besser werde und/oder es meine Familie nicht mehr ertragen kann, andauernd von Radrennen zu Radrennen zu ziehen und Berge voller dreckiger Wäsche und kaputtem Material instand zu stellen. 

CX-Sport: Vielen Dank für das Interview.