Interview mit Philipp Walsleben

Sieg in Hoogstraten - Foto: Armin M. Küstenbrück

Philipp Walsleben, der amtierende Weltmeister im Querfeldein (U23) wurde von CX-Sport zu seiner vergangenen Saison befragt - und zu seinen Zielen für die Zukunft.

Name Philipp Walsleben
Wohnort Kleinmachnow
Alter 21
Gewicht dick: 66kg; dünn: 63kg
Größe 1,77m
Beruf Radsportprofi
Homepage http://philipp-walsleben.blog.de/
Team BKCP-Powerplus
Gewicht des Rennrades im Renntrimm Da muss ich leider passen. Hab ich auch noch nie gemessen. Ich spar vor jedem Rennen 300 g wenn ich nochmal pinkeln gehe.

CX-Sport: Wie geht’s Dir gerade? Hast Du das Erlebte der letzten Saison schon wirklich realisiert?
Philipp: Mir geht’s gut natürlich. Eigentlich denke ich schon, dass ich die Ereignisse der letzten Saison realisiert hab. Manchmal denke ich aber noch daran zurück und dann fällt mit immer noch einmal auf, dass das echt nichts alltägliches war, was ich da getan hab. 

CX-Sport: Vermutlich eine dumme Frage, aber warst Du zufrieden mit deiner letzten Saison?
Philipp: Natürlich: Nur bei den Eliterennen hätte ich mir hin und wieder mal eine bessere Platzierung gewünscht.

CX-Sport: Hast du mit einem solchen Verlauf gerechnet.
Philipp: Rechnen kann man mit so einem Verlauf eigentlich nicht, normalerweise gehören Materialdefekte und Krankheit dazu. Ich hatte aber keins von beidem.
Ich wusste beispielsweise, dass ich jeden der drei Meistertitel holen kann, hätte aber nicht gedacht, dass es alle drei werden. 

CX-Sport: Worauf führst Du Deinen Leistungssprung der letzten Rennsaison zurück?
Philipp: Meine Straßensaison verlief schon vom Trainingslager bis zum letzten Rennen ohne Zwischenfälle. Außerdem war 2008 das erste Jahr in dem ich mich, nach meinem Abi 2007, voll auf den Radsport konzentrieren konnte.
In der Saison war der wichtigste Faktor der, dass ich in Belgien wohnte. Dadurch hatte ich weniger Reisestress, weniger Ablenkung und wurde auch nach größeren Erfolgen wie dem EM-Titel gut mit beiden Füßen auf dem Boden gehalten. Und auch während der Rennen hatte ich mit dem Wohnmobil und meinen Betreuern das perfekte Umfeld. Dadurch war es auch bei größeren Rennen möglich, einfach die Routine beizubehalten. 

WM-Titel in Hoogerheide - Foto: Armin M. Küstenbrück

CX-Sport: Wie war der Druck, den Du als Topfavorit vorher zu verspüren hattest? Konntest du ruhig schlafen?
Philipp: Wie gesagt, die Routine hatte ich. Die WM war ungefähr mein dreißigstes Rennen. Ich wusste, dass ich unter normalen Umständen der stärkste bin.
Außerdem stehst du morgens auf und hast zwei Beine mit denen du es tun musst. Wenn die gut genug sind ist es schön, wenn die Beine an diesem Tag schlecht sind kann man aber auch nichts machen. Wenn man es sich so denkt, kann man auch ruhig schlafen. Ätzend war vielmehr das Warten, bis die WM endlich da ist. Zwei Wochen vorher in Roubaix hatte ich Super-Beine und gewann mit einer Minute Vorsprung. Damals sagte mir jeder, dass ich doch sicher Weltmeister werde. Kann ja sein, aber das Rennen muss auch erstmal gefahren werden.

CX-Sport: In Belgien kennt Dich fast jeder, stört es Dich da, dass in Deutschland der Querfeldeinsport ein wenig ein Schattendasein führt?
Philipp: Man gewöhnt sich dran :) Außerdem denke ich, dass es bergauf geht. Und ich genieße es auch als normaler Mensch gesehen zu werden. Einige meiner Freunde hatten das mit dem WM-Titel einfach nicht mitbekommen. Für die bin ich voll der normale Mensch, das ist sehr schön.

CX-Sport: Stimmt es das nachts Groupies vor Deinem Schlafzimmer aufmarschieren und Tangas werfen?
Philipp: Mit Unterwäsche kommt mir sowieso niemand ins Haus.

CX-Sport: Wann hast Du mit dem Radsport angefangen.
Philipp: 1998

CX-Sport: Seit wann fährst Du Cross, wie kamst Du dazu?
Philipp: Ich habe Cross in meinem Verein als das kennengelernt, was man im Winter macht. Also fahre ich eigentlich schon immer Cross.

CX-Sport: Deine größten Erfolge waren bisher?
Philipp: Deutscher Meister Junioren, U23 und Vize-EM U23

CX-Sport: Was macht für Dich die Faszination Crossen aus?
Philipp: Dass man dort ohne viel Geplänkel vom Start an alles geben muss, die Atmosphäre bei den Rennen und einfach das Gefühl, mit hoher Geschwindigkeit durch den Wald zu „hacken“.

CX-Sport: Du bloggst: Deine Fans haben mir aufgetragen, Dich zu bitten nicht mehr, sondern öfter zu schreiben…hast du überhaupt Zeit dafür?
Philipp: Die Zeit habe ich schon, meistens mangelt es an der Motivation. Manchmal nehme ich mir vor, etwas zu schreiben, aber irgendwie bekomme ich keinen flüssigen Eintrag zusammen. Dann lasse ich es lieber sein, bevor da nur Stichpunkte stehen.

CX-Sport: Was sind Deine Ziele für die nächste Saison?
Philipp: „Fuß fassen“ in der Elite. Deutscher Meister

CX-Sport: Wie viele Rennen fährst Du im Jahr?
Philipp: Sommer: 40 Renntage, Winter: 42 Rennen

CX-Sport: Fährst Du auch MTB?
Philipp: Ne, sowas hab ich nicht. Wenn's passt könnt ich das nochmal versuchen. Wenn ich mich recht erinnere war ich bei Jugend und Junioren ja DM XC

CX-Sport: Wie viele Km fährst Du insgesamt auf der Strasse im Jahr?
Philipp: Glaub' 14.000

CX-Sport: Wie ist Deine Trainingsgestaltung?
Philipp: Im Sommer eher etwas länger. Im Winter einmal wöchentlich Intervalle im Wald, bei zwei Rennen am Wochenende.

CX-Sport: Absolvierst  Du Techniktraining? Rumpftraining?
Philipp: Nein und Nein

CX-Sport: Setzt Du auch im Sommer Intensitäten?
Philipp: Nicht unbedingt im Training, aber bei Sachen wie der Belgien Rundfahrt kommt man schon mal über den GA-Puls hinaus

CX-Sport: Trainierst Du auch bei schlechtem Wetter? Falls ja: schimpft Dein Vermieter, weil Du immer dreckig nach hause kommst?
Philipp: Je nach Stellwert der Einheit trainiere ich auch bei schlechtem Wetter. Aber dreckige Sachen ist man bei mir an beiden Wohnorten gewöhnt.

CX-Sport: Hast Du Zeit für Hobbys? Wenn ja, trainierst Du etwa nicht genug?
Philipp: Meistens sitze ich am PC wenn ich grad' nicht trainiere

CX-Sport: Trainierst Du mit Herzfrequenz- oder Leistungsmesser?
Philipp: Herzfrequenz

CX-Sport: Im Cx trainiert man ständig auf Messers Schneide: wie steuerst Du Dein Training um nicht ins Übertraining zu kommen? 
Philipp: Erfahrung, regelmäßige Blutkontrollen

CX-Sport: Pause nach der Saison? Wann? wie? Was bist Du für ein Schwächling, dass Du eine benötigst! 
Philipp: Ja nach der Saison gab's 3 Wochen radfrei. Die sind nötig für Körper und Geist. Da kann man ein bisschen zunehmen, schöne Dinge essen und mal etwas länger wach bleiben.

CX-Sport: Wie fährst Du Dich warm? Wie lange?
Philipp: Am Morgen des Rennen fahre ich nach dem Frühstück immer 20 Minuten zuhause auf der Rolle. Dann gibs Pasta im Wohnmobil und dann fahre ich 2-3 Runden auf der Strecke, auch schon ein bisschen zügiger.
45-30 Minuten vor dem Start gehe ich auch auf die Rolle, wo ich aber teilweise auch nur rumsitze… ca. 20 Minuten vor dem Start jage ich den Puls auf der Rolle noch einmal hoch.

CX-Sport: Wie sicher ist der Fortbestand Deines Teams?
Philipp: Die Sponsorenverträge laufen bis Ende 2011. Also sollte es das Team bis dahin noch mindestens geben.

CX-Sport: Kannst Du von Deinem Sport leben?
Philipp: Jo, glücklicherweise habe ich noch andere Einnahmequellen als die 110€ Deutscher Meister Preisgeld.

CX-Sport: Wie gehst du mit Fahrfehlern während eines Rennens um? Gelingt Dir dieser Umgang immer gleich gut?
Philipp: Fahrfehler verursachen immer eine leichte Unsicherheit an der bestimmten Stelle. Aber inzwischen hab ich es eigentlich so gut unter Kontrolle, dass ich einfach wieder ruhig und unbelastet an die bestimmte Passage komme.

Hoogstraten - Foto: Armin M. Küstenbrück

CX-Sport: Trainierst Du speziell Deine mentalen Fähigkeiten?
Philipp: Nein

CX-Sport: Bist du Tuningfreak? Wie ist dein ultimativer Tipp dazu? Was gibt es zu beachten?
Philipp: Ich bin kein Tuningfreak. Man sollte beachten, dass die ganze Geschichte noch funktioniert. Das ist meistens bei Serienteilen so. SHIMANO hat da bei der neuen Dura-Ace aber leider auch nicht drauf geachtet…

CX-Sport: Ein guter Tag bedeutet für dich?
Philipp: Vormittag (und evtl. auch nachmittags) echt gut trainieren und den Rest des Tages ausruhen und sich freuen, wie gut man doch heut wieder trainiert hat.

CX-Sport: Disziplin heißt  für dich?
Philipp: Regelmäßigkeit. Egal wie man hungert, trainiert und schläft. In 4Wochen wird man nicht Weltmeister. JoJo Effekt vermeiden.

CX-Sport: Lieblingsstellung?
Philipp: Oberkörper aufrecht im Sattel, Hände nach oben gestreckt.

CX-Sport: Deine größte Stärke?
Philipp: Selbstsicherheit.

CX-Sport: Deine größte Schwäche ?
Philipp: Eventuell auch Selbstsicherheit, mir von anderen nichts sagen lassen.

CX-Sport: Was muss passieren damit der Radquerfeldeinsport in deutschsprachigen Bereich noch weiter nach vorne kommt?
Philipp: Hier könnte man ja einen Aufsatz drüber schreiben.
Natürlich braucht man erst einmal gute Fahrer. Wie kommt man dazu?
Und wie immer braucht man auch mehr Geld. Der BDR müsste mehr Trainingslager organisieren um einen Erfahrungsaustausch zwischen älteren und jungen Fahrern zu organisieren. Beim Stevens Team wird dies schon seit mehreren Jahren gemacht. Hat aber (mit Verlaub) noch nicht unbedingt den erwünschten Erfolg gebracht. 
Wichtig ist (leider) auch die Teilnahme an Rennen in Belgien, auch für den Nachwuchs. Hier ist aber wieder das Problem, dass dann alle guten Fahrer im Ausland starten würden. Um den Crosssport in D wirklich zum Leben zu bringen bräuchte man aber natürlich auch Zuschauer und Sponsoren bei deutschen Rennen. Das Interesse an diesem Sport wird aber ohne internationalen Erfolg nicht unbedingt schnell steigen.
Jedoch ist in meinen Augen die Mentalität bei deutschen Crossrennen eine andere, eine falsche für die internationale Bühne. Das ganze Niveau liegt niedriger, wodurch das Grundtempo natürlich auch niedriger liegt. Eine Stunde Vollgas, echt Vollgas (jede Runde, als wäre es die letzte) ist oftmals nicht der Fall. Meist, weil die physischen Voraussetzungen nicht gegeben sind. Das könnte wiederrum am Training liegen. Zu lange und zu langsam? Das läge wiederrum am Trainerpersonal, und auch an der deutschen lang und langsam Einstellung.
Auch das Bild des Cross bei den Rennfahrern ist nicht unbedingt das Richtige: „Wenn man gut ist sollte man lieber Straßenfahrer werden, verdient man mehr.“ Dies wird auch beim BDR so gehandhabt. Als Beispiel könnte ich Christoph Pfingsten nennen. Ist eigentlich den meisten bekannt, dass dieser in St. Wendel schon einmal dritter bei einer Junioren-WM Querfeldein war? Er ging anschließend auf die Straße, sollte aber seine nächste Medaille erst vier Jahre später wieder im Cross einfahren.
Dies waren durcheinander geworfen einige ehrliche Stichpunkte die mir so durch den Kopf kamen. Zuallerletzt möchte ich aber sagen, dass es in meinen Augen schon voran geht. Zwei Radhersteller investieren in den Crosssport, die Hobbyszene wird größer, dadurch auch die Bekanntheit. Dies ist auf jeden Fall kein Rückschritt, positives öffentliches Interesse lässt sich immer nutzen.

CX-Sport: Denkst du die Basis für weitere Erfolge deutscher Fahrer ist gegeben?
Philipp: Klar ist die Basis gegeben, Deutschland ist groß genug also wird’s schon irgendwo gute Crossfahrer geben.

CX-Sport: Wem traust du in Deutschland am ehesten zu, im U23 Bereich, in deine Fußstapfen zu treten?  
Philipp: Da sind natürlich Marcel Meisen und Sascha Weber zu nennen. Beide haben schon beachtliche Ergebnisse eingefahren und sind in meinen Augen auf dem richtigen Weg.

CX-Sport: Wie schätzt du deinen Bruder ein?
Philipp: Ich denke er kann mehr erreichen, als die meisten ihm zutrauen. Bei Deutschen Meisterschaften war er immer für eine Medaille gut. Er ist aber niemand, dem der Erfolg und das Talent hinterhergeworfen wurde. Nun hat er ein vernünftiges Team und lebt auch genug für den Sport. In meinen Augen kann man daraus etwas machen.

CX-Sport: Bist Du auch durch den Radsport zwischenzeitlich impotent geworden?
Philipp: Auch? Nein ich denke, dass bei mir noch alles in Ordnung ist und diese Gefahr nicht so schnell besteht. Ich würde hier mal den Namen Jens Voigt und die Zahl fünf (Kinder) nennen.

CX-Sport: Fühlst Du Dich durch dopende Sportler verarscht?
Philipp: Die verarschen nur sich selber. Ich würd gern bis ich so Mitte Dreißig bin mein Geld mit Radsport verdienen. Das ist denk ich sauber am einfachsten. 

CX-Sport: Lieblingsrennen?
Philipp: Im Cross wäre das der Koppenberg und Kleinmachnow, ich liebe diese Runde. Auf der Straße habe ich keinen echten Favoriten. Wenn oben Ziel ist, ist es schon in Ordnung.

CX-Sport: Wann warst du zuletzt angetrunken?
Philipp: Noch nie, ich fahre ja auch nicht nur halb trainieren.

CX-Sport: Sind im Joghurt Knochen?
Philipp: Das hab ich mich noch nie gefragt. Da soll ja sehr viel Calcium drin sein, ich dachte aber immer, dass die von der Milch im Joghurt kommt.

CX-Sport: Falls du Mono fährst: reicht das Geld nicht für zwei Kettenblätter?
Philipp: Haha Mono, der kleine Bruder von Oberlenker-Bremshebeln. Noch nie gefahren. Es gibt natürlich Rennen wo man nur auf dem großen Blatt fährt. Man könnte dafür also 46-Mono montieren. Alles andere könnte für Start und Sprint zu leicht sein.

CX-Sport: Bremsen; Hast Du schon mal Mini-V oder Scheiben am Crosser getestet? Meinung dazu?
Philipp: Endlich euer Lieblingsthema. Ich habe bis jetzt keins von beidem ausprobiert. Wahrscheinlich ist es Faulheit bezüglich umbauen und kümmern. Und die Angst am Start ausgelacht zu werden. Funktionieren die nicht zu gut? So dass die sich mit kalten Händen nicht mehr dosieren lassen. Und schleift das nicht im Matsch wenn die so nah an der Felge stehen? Vielleicht könnte ich mir ja mal einen Namen als V-Brake Pionier machen…

CX-Sport: Was zeichnet Dich aus? bist Du  guter Techniker, Dampfmaschine, beides, komplett?
Philipp: Ich bin beides, aber in keinem vollkommen. Meine Technik ist gut, bei anderen aber besser. In der U23 war zwar niemand konstant stärker als ich. Bei der Elite wird es da aber welche geben.

CX-Sport: Lieblingsreifen?  
Philipp: Sowieso Dugast. Und wenn ich Rhino fahren kann stimmt auch das Wetter.

CX-Sport: Wie lange benötigst du, um vor einem Rennen den optimalen Luftdruck zu ermitteln?
Philipp: Ja das kann sehr lange dauern. Inzwischen kümmere ich mich aber etwas weniger darum. Mann muss einfach immer noch treten. Am Besten ist es, einfach bei Niels seine Empfehlung zu erfragen. Das wird dann schon stimmen.

CX-Sport: Hast Du Zeit für ne Beziehung ?
Philipp: Ja die Zeit hätte ich. Beziehung hab ich aber nicht. Was zum Schnellfahren auch nicht übel ist…

DM in Strullendorf - Foto: Armin M. Küstenbrück

CX-Sport: Ein paar Zeilen über dein Team, Sponsoren, etc...
Philipp: „Ein paar Zeilen“, sehr konkret.
Ja BKCP - 'ne Bank und PowerPlus- Hersteller von Elektrowerkzeugen sind unsere Hauptsponsoren vom Team; Namensgeber quasi.
Wir sind im Moment 9 Fahrer. Sehr gute, weniger gute und auch welche um einfach das Team groß genug zu machen. Aber die Leistung ist ja nicht alles. Die Stimmung ist sehr gut, und alle im Team, bis auf eine Ausnahme, sind wirklich professionell auf den Sport konzentriert. Das macht mir Spaß.
Um mal Namen zu nennen. Ich denke, dass Lubomir Petrus mindestens zweimal U23-Weltmeister werden kann.

CX-Sport: Vielen Dank