Weltcup / Soudal Classic Citadelle de Namur

Alljährlich ist in der Weihnachtswoche die Zitadelle von Namur der Austragungsort des spektakulären und vermutlich schwersten Rennens im gesamten Weltcup Kalender. Wie meist um diese Jahreszeit hatte der Regen den Berghang der Zitadelle in einen tiefen und anspruchsvollen Kurs verwandelt. Für viele Teilnehmer des wichtigsten Cross-Rennens der Wallonie sollte es eine extreme Herausforderung werden, und dies sowohl was die Fahrtechnik als auch die Kraftreserven anging.

Pünktlich um zehn Uhr wurde das Rennen der Junioren bei trüben, aber noch trockenem Wetter gestartet. Zunächst übernahm Robert Nieuwenhuis (NED) die Führung, konnte sich jedoch nicht entscheidend von Yannick Peeters (BEL) und Adam Toupalik (CZE) absetzen. Er musste dann auch in der vorletzten Runde die beiden Verfolger passieren lassen, und Toupalik übernahm die Führung. Am Ende hatte der amtierende Europa- und belgische Meister Yannick Peeters die Nase vorn und gewann mit einer Sekunde Vorsprung auf Adam Toupalik, der lange Zeit führende Nieuwenhuis kam mit eine Minute Rückstand auf den Sieger als dritter über die Linie.

Peeters setzte sich mit seinem Sieg auch an die Spitze der Gesamtwertung. Der Sohn von Wilfried Peeters (sportlicher Leiter bei Omega Pharma-Quickstep) hatte die letzten drei Wochen pausiert, um sich auf die kommenden schweren Wettkämpfe vorzubereiten. Wie es scheint keine ganz so verkehrte Entscheidung.

Ludwig Cords, der am Vortag noch einen hervorragenden dritten Platz in Essen erzielt hatte, kam als bester Deutscher auf den 30. Platz, Paul Lindenau auf den 40. und Raphael Schröder bei seinem ersten Weltcup-Einsatz auf Platz 47.
Yannick Peeters - Sieger bei den Junioren


Bei den Beloften ging Mathieu van der Poel als grosser Favorit an den Start. Hatte er bei den Rennen in Antwerpen und St. Niklaas in der Elite doch mit zwei zweiten Plätzen ein rechtes Ausrufezeichen gesetzt. Aber manchmal kommt es eben anders als man denkt. Zumal mit Wout van Aert ein weiterer U23 Fahrer am Start war, der in dieser Saison gezeigt hat, dass er ebenfalls bei der Elite kräftig mitmischen kann.

Wout van Aert(BEL), der bereits am Tag zuvor in Essen souverän gewonnen hatte, nahm auch an der Zitadelle sofort das Heft in die Hand und ging direkt an die Spitze des Feldes, Clement Venturini (FRA) übernahm die Verfolgung. Mathieu van der Poel (NED), der wahrscheinlich auch noch etwas unter den Folgen der beiden Stürze in Essen litt, erwischte keinen guten Start und hatte nach der ersten Runde als dritter 15 Sekunden Rückstand auf den Führenden. Wout van Aert baute seinen Vorsprung kontinuierlich aus, während  sich van der Poel auf die zweite Position vorarbeitete. In der dritten Runde hatte van Aert bereits 50 Sekunden Vorsprung auf Laurens Sweek (BEL), der sich mittlerweile an Mathieu v.d. Poel herangekämpft hatte. Der wie entfesselt fahrende Wout van Aert liess nichts anbrennen, baute seinen Vorsprung auch in den letzten Runden weiter aus und kam am Ende mit über einer Minute Vorsprung auf Mathieu van der Poel ins Ziel. Laurens Sweek musste sich zum Schluss nach seiner fabiosen Aufholjagd leztendlich doch geschlagen geben und kam auf den dritten Platz. Mit seinem zweiten Platz verteidigte Mathieu van der Poel unter den Augen seines Grossvaters Raimond Poulidor die Gesamtführung im Weltcup vor Wout van Aert.
Wout van Aert domiert bei den Beloften

Die zweite Hälfte des Renntages startete um 13:30 mit dem Rennen der Damen bei sich langsam verschlechterndem Wetter. Die amtierende Weltmeisterin Marianne Vos war zum ersten Mal nach einer längeren Pause wegen ihrer OP wieder am Start. Die Niederländerin, die den ersten Weltcup im heimischen Valkenburg souverän gewonnen hatte, traf auf die Gesamtführende Katie Compton (USA), die bei den beiden folgenden Weltcups in Tabor und Koksijde erfolgreich war.

Marianne Vos hatte einen guten Start, übernahm sofort die Regie im Rennen und hatte ausgangs der ersten Runde zwanzig Sekunden Vorsprung auf Compton und die britische Meisterin Nikki Harris herausgefahren. Doch bereits in der zweiten Runde schloss die konditions- und laufstarke Compton zu Vos auf und konnte sie bei einer der vielen Laufpassagen überholen und einen kleinen Vorsprung herausfahren. Auf dem dritten Platz folgte Nikki Harris mit zwanzig Sekunden Rückstand auf die Amerikanerin. In der Verfolgung der ersten drei hatte sich eine interessante Vierergruppe gebildet, die aus der amtierenden belgischen Meisterin Sanne Cant, der für das niederländische Rabobank Women Cycling Team fahrende Pauline Ferrand-Prevot, der US Amerikanerin Kaitlin Antonneau und der Italienerin Eva Lechner bestand. Während das Führungstrio in unveränderter Reihenfolge über die  Ziellinie kam, konnte sich die Südtirolerin aus der Verfolgergruppe absetzen und kam als vierte vor Pauline Ferrand-Prevot und Sanne Cant ins Ziel.

Katie Compton, die Namur als ihr Lieblingsrennen bezeichnete, baute mit ihrem dritten Sieg im vierten Weltcup-Rennen ihren Vorsprung in der Gesamtwertung des Weltcups weiter aus.
Compton dominiert auch in Namur

Bei der Elite hatte Philip Walsleben die grosse Chance, mit einem guten Ergebnis die Gesamtführung im Weltcup zu übernehmen. Nach eigenem Bekunden liegt ihm die Strecke, die Kombination aus technischen Schwierigkeiten und den anstrengenden Steigungen gehört zu seinen Stärken. Entsprechend motiviert ging er an den Start. Erfreulicherweise musste auch Weltmeister Sven Nys nicht auf einen Start verzichten. Nys war am Vortag in Essen schwer an den Hürden gestürzt und hatte zunächst befürchtet, dass er sich einen Bruch am Unterarm zugezogen habe. Die ärztliche Untersuchung am Morgen ergab glücklicherweise "nur" ein relativ schweres Hämatom, von dem Nys sagte, dass es bei ihm zu Hause auch gerne als 'Pferdekuss' bezeichnet werden würde und das alle Farben annehmen könne. Auf Renaat Schotes Anspielung auf die Farben des Regenbogentrikots stimmte Nys lachend zu

Beim Start des Rennens übernahm Francis Mourey (FRA) direkt im ersten Anstieg die Führung. Mourey, der auch ein sehr guter Mountainbiker ist, kam mit der Strecke gut zurecht und führte zunächst in den ersten beiden Runden. Philip Walsleben übernahm zusammen mit dem amtierenden Schweizer Meister Julien Taramarcaz die Verfolgung, und so nahm ein rasend schnelles Rennen seinen Lauf.

Sven Nys hatte sofort im ersten Waldabschnitt ein plattes Vorderrad und fand sich am Ende der ersten Runde auf dem 57ten Platz noch hinter Alexander Revell (NZL) wieder. Wer glaubte, dass der Weltmeister nun aufsteckte, hatte allerdings die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Nys war sicherlich der stärkste Fahrer des Tages. Im Laufe der nächsten Runden startete Nys eine Aufholjagd ohne gleichen und holte einen Fahrer nach dem anderen ein.

Walsleben und Taramarcz übernahmen in der dritten Runde die Führung. Als Lars van der Haar in einer der tückischen Abfahrten stürzte und einige Zeit beim Richten seines Rads verlor, schien für Philip alles nach Plan zu laufen. Zur Rennmitte schloss der zwischenzeitlich auf den fünften Platz zrückgefallene Mourey wieder zu Walsleben auf und übernahm erneut die Führung. In der Verfolgung bildete sich mit dem belgischen Meister Klass Vantornout, dem Niederländer Thijs van Amerongen, Philip Walsleben und Julien Taramarcaz eine Vierergruppe, zu der nach einiger Zeit auch Niels Albert aufschloss. Der vom Sturz geschwärzte Lars van der Haar folgte mit Tom Meeusen mit einem Rückstand von 15 Sekunden auf diese Vierergruppe. Drei Runden vor Schluss war Sven Nys auf den zwölften Platz vorgefahren und hatte noch einen Rückstand von 47 Sekunden auf den führenden Mourey und gut 20 Sekunden hinter der Vierergruppe mit Walsleben. Doch die Aufholjagd sollte noch nicht beendet sein.

In der vorletzten Runde hatte Nys den Anschluss an die Verfolger gefunden und übernahm die Führung in der mittlerweile auf neun Mann angewachsenen Gruppe. Der Rückstand auf Mourey betrug eingangs der letzten Runde weniger als dreissig Sekunden. Motiviert durch die grandiose Aufholjagd dachte Nys nun an einen möglichen Sieg, fuhr weiter mit vollem Risiko und riss die Verfolgergruppe auseinander. Durch diese Fahrweise kam es dann aber doch zu kleinen Fehlern und einem Sturz im Schräghang, welche Vantornout und Albert nutzen konnten. Während Morey am Ende überglücklich seinen grossen Sieg feiern konnte, errang der belgische Meister den zweiten Platz vor Niels Albert. Nys kam mit einer halben Radlänge vor dem erstaunlich erstarkten van der Haar auf dem vierten Platz ins Ziel. Philip Walsleben, der lange Zeit das Rennen geprägt und der Weltcupführung zum Greifen nah war, beendete das Rennen schlussendlich schwer enttäuscht auf dem neunten Platz.
Überrschender Sieg für Francis Mourey

Lars van der Haar verteidigte mit seinem fünften Platz die Gesamtführung im Weltcup vor Philip Walsleben und Niels Albert.
Lars  van der Haar vom Sturz gezeichnet

 

Weitere Fotos gibt es auf Cycloimpressions.com.

Text und Photos: Peter Scholz (Cycloimpressions.com)

 

  • Namur2013-Raphael.jpg