Radcross-EM 07.11.2010 in Frankfurt

Mit dem Velociped-Club Frankfurt 1883 geht es durch die Radsport-Geschichte

Von Niederrädern, einem Erfinder namens Sachs, Berner, Hundertmarck und dem Radcross: Die Pionierzeit des Radsports war in Deutschland gerade erst angebrochen, als sieben weitsichtige Männer am 17. April 1883 im Gasthof "Rosenau" in Frankfurt den "Velociped-Club Frankfurt 1883" (im Volksmund VC Frankfurt genannt) gründeten. Ziel war neben den sportlichen Aktivitäten dem Fahrrad, dem "Velociped" in der damaligen Form, einen größeren Bekanntheitsgrad zu verschaffen. Der VC Frankfurt trug die gesamte Entwicklung des Radsports in Deutschland mit - von der Organisation nationaler sowie internationaler Rennen bis hin zur technischen Verfeinerung des Niederrades mit seinen ersten Luftreifen (1880). Die sieben Gründungsmitglieder des VC waren: Albert Arnold, Ludwig Becker, James Collin, Eduard Morgenstern, Otto Pfister, Otto Pistorius und Robert Seiffermann. Seiffermann wurde der erste Präsident und behielt das Amt bis 1888, gefolgt von Otto Gilberger, der bis 1908 den Vorsitz führte.

Das Gründungmitglied Ludwig Becker gewann bis 1890 zahlreiche Rennen. In den folgenden vier Jahren strahlte ein besonderer Stern des VC Frankfurt am Rennsporthimmel: Ernst Sachs, der spätere Gründer des Weltkonzerns Fichtel & Sachs AG, gewann Rennen um Rennen. Durch ihn vor allem wurde Frankfurt zur Hochburg des Radsports in Deutschland. 1894 musste er seine überaus erfolgreiche Rennfahrerlaufbahn nach einem schweren Sturz auf der Frankfurter Radrennbahn leider beenden. Sein Erfindergeist ließ ihn wenige Jahre darauf die Nabenschaltung mit Rücktrittbremse konstruieren, durch die das Fahrrad in seiner heutigen Bauweise in wesentlichen Zügen vervollständigt wurde. 25 Jahre lang, von 1908 bis 1933 war er der dritte Präsident des VC Frankfurt. Sein Nachfolger wurde August Stifft. Seither feiert der VC große sportliche Erfolge mit teils prominenten Mitgliedern: Eine Weltmeisterschaft und zwei deutsche Meisterschaften sind hier vorab zu nennen. Christian Rohde gewann 1911 in Dresden den WM-Titel im 1000-Meter Bahnfahren. Hans Hundertmark wurde 1925 in Stettin Deutscher Straßenmeister über 200 Kilometer der Amateure und Karl Oestreich siegte 1931 in Chemnitz bei der Deutschen Bahnmeisterschaft. In der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg waren Marathonfahrten, seinerzeit Mammutrennen genannt, gang und gäbe. Hans Ludwig gewann 1909 das Rennen Wien-Berlin über 600 Kilometer mit  16 Minuten Vorsprung. In diese Ära fallen Mitgliedschaften von Otto Glöckler, Fritz von Opel und David Stempel. Unter dem Mäzenat von Opels formte sich in den Jahren 1926 bis 1927 der bekannte Opel-Rennstall, der in den Folgejahren im deutschen Profiradsport Geschichte machen sollte.

Ab 1933 leitete Franz Remde die Geschicke des Vereins zunächst bis 1937. Adolf Bär und Georg Arnold folgten ihm in diesem Amt, bis die Zerstörung Frankfurts im Zweiten Weltkrieg sämtliche Initiativen begraben ließ. In den ersten Monaten nach Kriegsende wurde dann schließlich ein Neuanfang im Vereinsgeschehen des VC Frankfurt gewagt. Kurz nach der ersten Überbrückungszeit war es wieder Franz Remde, der den Vereinsvorsitz für viele weitere Jahre übernahm. Unter seiner zweiten Amtszeit gab es eine besonders erfolgreiche Zeit für den VC in sportlicher Hinsicht (drei deutsche Meistertitel) und im Hinblick auf seine Mitgliederzahlen. 1946 gewann Horst Holzmann zu Beginn seiner großartigen Karriere Rennen um Rennen. Als Jugendfahrer wurde er 1947 erstmals deutscher Jugendmeister. 1950 als noch junger Amateur holte er sich mit dem Frankfurter Theo Intra den deutschen Meistertitel im 100 Kilometer Zweier-Mannschaftsfahren auf der Bahn. 1951 wurde er deutscher Straßenmeister. Von 1952 bis 1962 war Holzmann einer der erfolgreichsten deutschen Berufsrennfahrer auf der Bahn und der Straße. 1958, im Jahre des 75-jährigen Bestehens, richtete der VC Frankfurt mit großem Erfolg die deutsche Meisterschaft auf der Bahn in sämtlichen Disziplinen im Frankfurter Stadion aus. 

Wenn auch die Rennerfolge spärlicher wurden, weil für den Radport im allgemeinen eine Phase von geringerem öffentlichen Interesse begann, so blieb das Vereinsleben im VC weiterhin intakt. Vor allem in den 70er Jahren wurde der Verein maßgeblich durch einen Mann geformt, dessen vorbildlicher Initiative die VC-Gemeinde bis heute viel zu verdanken hat: Walter Wahl. Seit über dreißig Jahren gehörte er als Schatzmeister und Manager dem Vorstand an. Von 1979 bis 1989 lagen die Geschicke des VC in der Hand des Vorsitzenden Horst Dorn. 1990 erfolgte dann ein Generationswechsel im Amt des Ersten Vorsitzenden durch Günter Schabel der bis Anfang 2006 den VC Frankfurt erfolgreich geführt und ausgebaut hat. Heutiger Präsident ist Dr. Reinhard Deimer.

Sportliche Erfolge setzten auch wieder ein. 1973 wurde erstmals das noch heute stattfindende "Frankfurter Radcross" am Bornheimer Hang durch Walter Wahl ins Leben gerufen. In 27 hervorragend besetzten Querfeldeinrennen bis 2001 wurde der Ruf der absoluten Zuverlässigkeit so gefestigt, dass zum 100jährigen Jubiläum schließlich die Ausrichtung der deutschen Meisterschaft im Querfeldeinfahren an den VC Frankfurt übertragen wurde. Das Rennen fand vor großer Zuschauerkulisse am 6. Februar 1983 auf dem Sportgelände am Bornheimer Hang statt. Weitere große Ergebnisse, besonders im Querfeldeinsport folgten. Ralph Berner wurde 1987 Vizeweltmeister der Junioren, VC-Fahrer Kai Hundertmarck Zehnter. In den Folgejahren gewann Ralph Berner viele bedeutende Rennen, wurde 1992, 1993 und 1994 deutscher Cross-Meister, 1993 Vizeweltmeister im Cross sowie deutscher Mountainbike-Meister 1998. Im Jahre 2002 richtete der Club den erstmalig in Deutschland stattfindenden Weltcup im Radcross auf der international bekannten Strecke am Bornheimer Hang in Frankfurt am Main aus. 2004 gründete der Club das erste eigene professionelle GSIII-Team "VC Frankfurt Radteam-Brügelmann", 2005 konnten wir einen internationalen Erfolg feiern: Gary Weir wurde Vizemeister bei der britischen Meisterschaft im Einzelzeitfahren. 2006 kam das Elite Team „Target-Exist-Spiuk“ hinzu. Ein Fahrer aus diesem Team, Dirk Müller, gewann die deutsche Meisterschaft im Straßenrennen. Insgesamt hat der Breitensport, das Radtourenfahren mit Kilometerleistungen von oft weit über 100 Kilometern, in den letzten Jahren innerhalb des Vereins erheblich an Gewicht gewonnen. Die derzeitige Entwicklung des Vereins wird von einer starken und regelmäßig fahrenden Tourenfahrer­gruppe geprägt. Mit 220 Mitgliedern ist der VC Frankfurt heute in der ausgezeichneten Lage, sowohl mit Dank auf viele zurückliegende Erfolge zu verweisen, als auch mit Zuversicht auf neue zeitgemäße Aufgaben sein Augenmerk richten zu können.