Crossen im Amiland

 Der deutsche Sven Baumann, derzeit in den USA lebend, schildert uns seine Eindrücke der dortigen CX-Szene.

Danke!

 

Nachdem durch die WM nun auch das internationale Publikum einen Eindruck von Crossrennen in Amerika bekommen hat, will ich trotzdem nochmal meinen Senf abgeben dazu. Sozusagen aus der Sicht eines Euros im Amiland.

 

Zunächst muß ich sagen, daß meine Vergleichsmöglichkeiten mit großen Events in Europa oder Deutschland etwas beschränkt sind. Das liegt daran, daß ich nur eine handvoll internationale Cross-Rennen in Europa gefahren bin weil ich meistens nur wenige Rennen gefahren bin (Oktober bis Anfang Dezember). Eigentlich bin ich erst hier so richtig dem Cross-Fieber verfallen. Das liegt auch zu einem großen Teil an der Begeisterungsfähigkeit der Amis. Und damit sind wir schon mitten drin im Thema. Das Publikum hier mag vielleicht nicht so zahlreich sein, aber mindestens so lautstark wie im Euroland. Und es werden wirklich alle angefeuert und respektiert. Szenen wie aus Belgien, wo Fahrer mit Bier begossen werden oder ähnliches sind hier undenkbar. Das liegt meines Erachtens vor allem daran, daß die meisten Zuschauer auch selbst fahren. Wenn nicht Cross, dann aber zumindest in irgendeiner Radsportdisziplin. Der (Rad-)Sport ist halt hier insgesamt weniger populär, aber dafür sind die Fans

eben noch leidensfähiger. Selbst bei großen Rennen (z.B. USGP) gibt es viele Rennklassen, und deren Teilnehmer bilden auch den Hauptanteil der Zuschauer. Und finanzieren mit ihren Startgebühren auch die Profirennen. Wobei es da auch keine Antrittsgelder gibt für die Topfahrer. Anfangs habe ich die Vielzahl der Klassen auch etwas belächelt, nach dem Motto: Die brauchen viele Klassen, damit jeder was gewinnen kann. Aber die Starterfelder sind voll, 100 Mann in einem USGP Kat. 3 Feld sind nichts außergewöhnliches. Die Breite ist also da, und die Leute fahren auch mal 8 h mit dem Auto um an so einem Event teilnehmen zu können und anschließend die Profis auf der gleichen Strecke fahren zu sehen. UCI Rennen gibts auch genug und obwohl da an der Spitze natürlich auch schnell Rad gefahren wird ist es meines Erachtens einfacher (aber nicht einfach) hier an UCI Punkte zu kommen als in Europa.

Zu den Strecken: Da gibts natürlich auch himmelweite Unterschiede, also sollte man nichts verallgemeinern. Ich hab schon regionale Rennen gesehen, wo die Start-Zielgerade auf dem Feld war und so uneben war daß mit die Kette abgesprungen ist. Aber bei größeren Rennen sind die Strecken sicher auch international vergleichbar. In einigen Städten gibt es sogar permanente Crosskurse, z.B. in Cincinnati und auch in Louisville. Meistens sind sie in irgendeinem Park und somit gibts nicht wirklich single track Anteile sondern einfach nur Gras. Je nach Witterung und Anzahl der Rennen/Teilnehmer hat das natürlich auch Auswirkungen auf den Zustand der Strecke im Laufe eines Renntages.

Generell versuchen die Organisatoren solche Rennen halt nicht im Niemandsland zu machen, sondern meistens in oder in der Nähe größerer Städte. Es wir ja auch eine gewisse Infrastruktur gebraucht wenn plötzlich 600 Leute mal für ein Wochenende irgendwo einfallen. Und weil die z.T. weite Anfahrtswege haben (s.o.) fahren die auch nicht gleich am selben Tag wieder heim. Auch die Doppelveranstaltungen sind eigentlich ne feine Sache. Manchmal sind dann Samstag und Sonntag Rennen am gleichen Ort, meistens mit geringen Änderungen an der Strecke oder einfach in die andere Richtung. Es gibt aber auch Veranstaltungen wie das Cincy Cyclocross Festival, wo 3 Tage an 3 unterschiedlichen Orten aber in einigermaßen geringer Entfernung zueinander gefahren wird.

Die Entfernungen sind generell einfach eine andere Größenordnung als in Deutschland....

Für mich persönlich waren die beiden vergangenen Saisons quasi der Start einer neuen Cross-Leidenschaft. Ich fahre hier für den lokalen Wolverine Sports Club und da gibt es ein paar Leute, die wirklich mit voller Begeisterung den Cross-Sport leben. Das ist aus meiner Sicht schon ein ziemlich professionelles Umfeld. Wenn ich mir dagegen überlege, daß ich in Dtl. (wie vielleicht die meisten) mit einem aus abgelegten Rennradteilen aufgebauten Crosser angefangen habe und die ersten 3 Saisons noch nicht mal auch Schlauchreifen unterwegs war, dann habe ich auch was das Material angeht hier ziemlich aufgerüstet und auch dazugelernt. Teilweise ist man ohne Zweitrad ziemlich aufgeschmissen, vor allem wenn nach ein paar Rennen im Regen die Strecke komplett umgewühlt ist. Da fällt mir z.B. der arme Benny Andersson aus Schweden ein, der bei der Masters-WM in der Klasse 55-59 unterwegs war und eigentlich nach der Hälfte des Rennens mangels Wechselmöglichkeit keine Chance mehr hatte weil 

der Unmengen an Schlamm an seinem Rad mit umherschleppen mußte.

Was das Training und die Trainingsbedingungen angeht, da gibts natürlich riesige Unterschiede, je nachdem wo man lebt. Ich wohne ca. 30 Meilen nördlich von Detroit, Berge sind hier quasi nicht vorhanden und auch die Straßen sind teils ziemlich übel oder mit viel Verkehr. Da bietet es sich geradezu an auf die nicht asphaltieren Nebenstraßen (sog. dirt roads) auszuweichen. Und da ist natürlich der Crosser der ideale Wegbegleiter. Man braucht kein MTB, weil die Straßen nicht grob geschottert sind und mit dem Crosser kommt man auch auf den "richtigen" Straßen gut voran. Natürlich hat auch das MTB seine Berechtigung, denn es gibt auch gute Trails (ja, auch ohne richtige Berge). Diese sind übrigens ebenfalls in Parks und speziell angelegt. Sowas würde man sich in Dtl. sicher auch manchmal wünschen um dem Konflikt Wanderer vs. Biker aus dem Weg zu gehen, aber das ist ein anderes Thema.

 

Soviel erstmal zu meinen Eindrücken, mehr fällt mir erstmal nicht ein im Moment... Bei Interesse kann ich auch nochmal mehr auf bestimmte Themen eingehen.

 

Schöne Grüße

Sven

 

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