Philipp Walsleben schielt in St.Wendel nach einer Medaille

Philipp Walsleben: „Alles kommt nur auf nächsten Sonntag an!“


Eine Woche vor der Weltmeisterschaft in Sankt Wendel (Saarland) bestätigt
der Kleinmachnower mit dem siebten Platz beim Weltcup-Finale in Hoogerheide
(Niederlande) seine gute Form


Wenn es nach dem belgischen Nationaltrainer Rudy de Bie geht, dann hat der
Kleinmachnower Philipp Walsleben am kommenden Wochenende durchaus
realistische Außenseiterchancen auf den Titel bei den Weltmeisterschaften
der Radquerfeldein-Fahrer im saarländischen Sankt Wendel: „Philipp ist seit
Wochen gut drauf und hat dazu den Vorteil einer Heim-WM“, sagte De Bie
gegenüber der belgischen Zeitung „Gazet van Antwerpen“. Und De Bie muss es
wissen: schließlich sieht er den Brandenburger mit Wohnsitz in Belgien jedes
Wochenende gegen die belgischen und tschechischen Favoriten fahren.
Besonders an den beiden vergangenen Wochenenden hat Walsleben dabei einen
hervorragenden Eindruck hinterlassen: bei den Weltcups in Pont Château
(Frankreich) und Hoogerheide (Niederlande) belegte der Deutsche Meister
beide Mal den siebten Platz. Doch während in Frankreich bis zum
unverschuldeten Sturz in der letzten Runde sogar noch ein Podiumsplatz
möglich gewesen wäre, war Walsleben mit seiner Platzierung beim
Weltcup-Finale durchaus zufrieden: „Ich hatte heute nicht die Superbeine, um
weiter nach vorne fahren zu können“, meinte Walsleben nach dem Rennen. „Ich
fand auch nie ein Hinterrad, an dass ich mich anhängen hätte können.“
Stattdessen war er meist alleine unterwegs: „Sportler, die aus der Gruppe
vor mir zurück fielen, konnte ich problemlos überholen.“ Überhaupt konnte
Walsleben über die gesamte Renndistanz ein hohes Tempo fahren, „aber es
fehlte die Explosivität, um Löcher schließen zu können.“ Dennoch macht sich
der Fahrer beim belgischen Profi-Team BKCP-Powerplus keine Sorgen um seine
WM-Form: „Ich habe in der Woche zuvor noch einmal richtig hart trainiert,
das habe ich am Sonntag gespürt. Deswegen werde ich diese Woche auch
entspannter angehen, um mich optimal auf den Wettkampf vorzubereiten.“ Der
siebte Platz in Hoogerheide sicherte Walsleben auch den achten Platz im
Gesamt-Weltcup – eine Platzierung, die kein deutscher Mann seit Mike Kluge
Mitte der neunziger Jahre mehr erreicht hatte: „Das ist natürlich auch
Ausdruck für eine gewisse Kontinuität“, freute sich Walsleben, der damit
eines seiner Saisonziele („Top Ten in einer der drei großen Serien“) abhaken
kann. Nun ist der Kopf frei, um nach vorne zu blicken, auf die
Weltmeisterschaft, die am kommenden Sonntag um 15:00 Uhr gestartet wird und
vom Saarländischen Rundfunk in einer 45-minütigen Zusammenfassung um 16:30
Uhr im Fernsehen ausgestrahlt wird und auch im Internet live zu sehen sein
wird. „Trotzdem wünsche ich mir natürlich viele Zuschauer live vor Ort“,
will Walsleben nicht nur seine engsten Fans motivieren. Er selbst wird
bereits am Donnerstagabend anreisen, um sich mit der Strecke vertraut zu
machen. „Natürlich hat man die Weltmeisterschaft schon seit Wochen im
Hinterkopf, aber auf positive Art und Weise. Sie motiviert mich zum
Training, aber ich fange nicht an, deswegen nervös zu werden oder mir einen
Kopf darum zu machen.“ Stattdessen sei es wichtig, die positive Spannung zu
halten. „Irgendwie kriege ich das hin, ohne mich kaputt zu machen“, meint
Walsleben verschmitzt. Und man glaubt dem ruhigen und bescheiden Sportler
ohne Starallüren. Dass er für eine belgisches Profi-Mannschaft an den Start
geht, das mit Weltcup-Gesamtsieger Niels Albert auch gute Chancen hat, den
zukünftigen Weltmeister zu stellen, ist für den Fahrer vom
BKCP-Powerplus-Team kein Problem: „Ja, das wird hier in Belgien ernsthaft
diskutiert.“ Schließlich war vor einigen Jahren der damals in
niederländischen Diensten stehende Belgier Sven Nys mit Missachtung gestraft
worden, weil er sich während einer Weltmeisterschaft zu offensichtlich für
seinen holländischen Mannschaftskollegen eingesetzt hatte. „Natürlich denke
ich daran, dass Niels mein Teamkollege ist, der die Chance hat, Weltmeister
zu werden. Aber in erster Linie fahre ich für mich selber. Und in den
dreißig Rennen, die wir dieses Jahr gefahren sind, habe ich ein einziges Mal
hundert Meter für ihn Führungsarbeit gemacht. Wenn also alles normal läuft,
werde ich eh nichts für ihn tun können. Aber sicher werde ich aufpassen,
dass ich keinen Konkurrenten in meinem Windschatten zu ihm heranfahre.“ Nach
den Erfolgen der letzten Rennen ist Philipp Walsleben aber durchaus
selbstbewusst geworden, was die eigenen Ziele angeht: „Unter die besten Fünf
zu kommen, ist durchaus möglich“, so der U23-Weltmeister von 2009. „Aber
wichtiger als der Platz ist mir, mit meinem Rennen zufrieden sein zu können,
und sagen zu können, ‚Ich habe alles gegeben, um vorne dabei zu sein!‘.“


Das dürfte auch das Ziel von Max Walsleben sein, dem jüngeren Bruder von
Philipp: der dritte der Deutschen U23-Meisterschaften wurde trotz eines eher
enttäuschenden 46. Platzes im U23-Rennen von Hoogerheide am Montag
überraschend vom Präsidium des Bundes Deutscher Radfahrer für die
Weltmeisterschaft nominiert tritt bereits am Samstagnachmittag in der
Nachwuchs-Kategorie an. „Er soll sich möglichst gut verkaufen – er hat das
Zeug dazu, viel weiter vorne zu fahren: das hat er ja bei der Deutschen
Meisterschaft in Lorsch bewiesen“, gibt Philipp seinem Bruder mit auf dem
Weg: „Ich freue mich natürlich, dass wir beide bei der Weltmeisterschaft im
eigenen Land starten dürfen, das ist schon etwas ganz Besonderes.“ Und
vielleicht trägt das deutsche Publikum, das sich schon in Lorsch so
begeisterungsfähig gezeigt hat, die beiden Brüder Walsleben am kommenden
Wochenende zu neuer Höchstform … auf dass Rudy de Bie, der belgische
Nationaltrainer, tatsächlich Angst haben muss, dass ein Deutscher „seinen“
Belgiern eine Medaille wegschnappt!


Text / Photos: Armin M. Küstenbrück

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